Die sogenannte Tigerstreifenregion im Süden des Saturnmondes Enceladus (hier am unteren Bildrand erkennbar) zeichnet sich durch hohe geologische Aktivität aus.

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Die nun analysierten Cassini-Messwerte stammen von einem rund 25 Kilometer breite Streifen. Dort zeichneten sich bereits wenige Meter unter der Oberfläche höhere Temperaturen ab. Die Forscher vermuten, dass das Phänomen in der gesamten Südpolregion eine Rolle spielt.

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2005 konnten Cassini direkte Aufnahmen von den geysirartigen Wasserjets am Südpol des Mondes einfangen. Diese Bilder und zahlreiche in den folgenden Jahren gesammelten Daten sprechen sehr dafür, dass der Eispanzer von Enceladus einen Wasserozean umhüllt.

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Eine vor zwei Jahren präsentierte Studie kommt zu dem Schluss, dass sich dieser Ozean nicht nur auf die Südpolregion von Enceladus beschränkt, sondern sich über den gesamten Mond erstreckt.

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Paris/Wien – Enceladus stand in den vergangenen Jahren vermehrt im Fokus wissenschaftlicher Studien. Das ist kein Wunder, denn vieles, was man bisher über den Saturnmond herausgefunden hat, lässt nicht nur bei Astrobiologen die Herzen höherschlagen: Der mit einem Durchmesser von 500 Kilometern vergleichsweise kleine Himmelskörper besitzt nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas, das zumindest in unserem Sonnensystem einen großen Seltenheitswert besitzt: flüssiges Wasser, und das womöglich in großen Mengen. Mehr noch: Jüngere Beobachtungen ergaben auch Belege für weitere für mögliches Leben notwendige Komponenten, darunter Mineralstoffe, organische Verbindungen und chemische Reaktionen, die Energie freisetzen.

Hinweise auf den Ozean unter Enceladus' Kruste lieferte in der Vergangenheit unter anderem seine Libration, leichte Schwankungen, die der Mond auf seinem Weg um den Saturn vollführt. 2015 schlossen US-Astronomen daraus, dass der kilometerdicke Eispanzer von Enceladus an keiner Stelle mit seinem festen Gesteinskern verbunden ist, also gleichsam auf einem globalen Wasserozean schwimmt. Auf der Südhalbkugel von Enceladus scheint es sogar tiefe Spalten und Kanäle zu geben, die seine Oberfläche mit diesem unterirdischen Ozean verbinden.

Anders lässt sich jedenfalls die beobachtete kryovulkanische Aktivität in der sogenannten Tigerstreifenzone nahe dem Südpol nicht erklären. Die geysirartigen Auswürfe befördern dort flüssiges Wasser, Mineralien und organische Moleküle mit einer Geschwindigkeit von über 2.000 Kilometern pro Stunde ins All hinaus.

Video: Cassini sammelt Belege für Enceladus' unterirdischen Ozean.
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Rätselhafte Wärmequelle

Die treibende Kraft hinter den Fontänen, die sich unter der Südhemisphäre verbirgt, scheint auf eine lokale Wärmequelle zurückzugehen. Woher die Energie dafür stammt, ist allerdings nach wie vor rätselhaft. Eine nun im Fachjournal "Nature Astronomy" veröffentlichte Studie trägt nicht gerade dazu bei, das Mysterium aufzuklären – im Gegenteil: Ein Team um Alice Le Gall von der Université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines bei Paris hat Hinweise darauf gefunden, dass das Eis in der Nähe der Tigerstreifen wenige Meter unter der Oberfläche signifikant wärmer ist als bisher angenommen.

Die Mikrowellendaten, die die Nasa-Sonde Cassini 2011 bei einem Vorbeiflug gesammelt hat, ergaben eine Temperatur von minus 210 Grad Celsius, das ist mindesten 20 Grad mehr als an der Oberfläche. Geht man davon aus, dass die Temperaturen mit zunehmender Tiefe im selben Maß ansteigen, dann ist es bis zum Schmelzpunkt von Wasser nicht mehr allzu weit. Die Astronomen schließen daraus, dass der Eispanzer in dieser Region nur wenige Kilometer dünn ist. Oder anders gesagt: Der Ozean liegt bedeutend näher an der Oberfläche als bislang vermutet, womöglich sind es nur fünf Kilometer, denkbar wären laut Le Gall sogar zwei Kilometer.

Dynamischer Untergrund

"Die beobachteten thermischen Anomalien erstrecken sich insbesondere über drei Spalten, die zwar den etwa 30 Kilometer entfernten Tigerstreifen gleichen, aber derzeit offenbar keinerlei kryovulkanische Aktivität aufweisen", meint die Astronomin. Diese ruhenden Brüche im Eispanzer illustrieren den dynamischen Charakter der Geologie von Enceladus: Vermutlich durchliefen unterschiedliche Regionen des Mondes in der jüngeren Vergangenheit mehrere aktive Episoden.

Obwohl die vergleichsweise hohen Temperaturen aufgrund der Einschränkungen beim Überflug durch die Cassini-Sonde nur in einem schmalen Streifen von 25 Kilometer Breite nachgewiesen wurden, dürfte das Phänomen in der gesamten Südpolregion eine Rolle spielen. Woher allerdings die Energie dafür stammt, ist laut Le Gall aus den bisher gesammelten Messwerten nach wie vor nicht klar ersichtlich: "Die Erwärmung lässt sich weder mit der Sonneneinstrahlung noch durch eine Aufheizung aufgrund von Gezeitenkräften durch den nahen Saturn erklären." (Thomas Bergmayr, 16.3.2017)