Weil sie nicht mit Norwegens atemberaubenden Fjorden aufwarten könnten, würden Finnlands Landschaften sträflich vernachlässigt. Ihr sanfteres Terrain ziehe erst nach und nach in seinen Bann, befindet der australische Verlag Lonely Planet. Dass in großen Teilen Lapplands kein Handy Empfang habe und kein Wlan der Natur dazwischenfunkt, freut wiederum die Entdecker von National Geographic. Beide führen Finnland auf ihren Listen lohnender Reiseziele für 2017 ganz oben. Eine Annäherung in zehn Punkten

1. Wildnis

"Wir sind dem Himmel am nächsten," sagt Pekka Sulkava. Und wie er es sagt, weiß man, es ist nicht so gemeint. Der oberste Hüter des Nationalparks Pallas Yllästunturi spricht von den Fjells, den höchsten Erhebungen Lapplands. Gerade einmal 807 Meter misst die höchste im Nationalpark im obersten Nordwesten Finnlands.

Die wahren Superlative erfährt man nebenbei: 200 Schneetage, ebenso viele Nächte mit Polarlichtern, 190.000 Rentiere, 749 Fjells. Und unberührte Wildnis, soweit das Auge reicht. 68 Prozent der Landesfläche sind Wald. Der Nationalpark Pallas Yllästunturi ist der älteste (gegründet 1938) und mit 450.000 Besuchern im vergangenen Jahr der beliebteste. Anlässlich der 100-jährigen Unabhängigkeit Finnlands wird im Sommer der 40. Nationalpark – Hossa bei Kuusamo – eröffnet.

Foto: visit finland/Tea Karvinen

2. Entschleunigung

Zwei selten gewordene Zustände muss man in Lappland nicht extra suchen: Stille und Einsamkeit. Weniger als zwei Einwohner kommen auf einen Quadratkilometer. Hektik ist dort ein Fremdwort – oder wie ein Sprichwort aus Lappland sagt: Eile ist nur zum Flöhefangen gut. Dazu trägt auch die Sauna bei, grundlegender Bestandteil der finnischen Kultur.

Wer die Finnen verstehen will, geht am besten mit ihnen saunieren. Sie machen es, um sich innerlich wie äußerlich rundum wohl, gereinigt und wie neu geboren zu fühlen, und haben ein eigenes Wort dafür: saunajälkeinen.

Foto: visit finland/Ruka Sauna Tour/Harri Tarvainen

3. Saubere Luft

Finnen lieben Superlative. Sie trinken den meisten Kaffee weltweit, essen das meiste Eis europaweit – und haben in Ylläs in Lappland laut eigenen Angaben die sauberste Luft Europas. Zahlt sich also aus, dort in zugigen Holzhütten, Iglus oder Baumhäusern zu übernachten.

Foto: visit finland/Taipale Brothers

4. Schneesicherheit

Sieben Monate lang regiert am Polarkreis der Winter. Oft kommt er schon im Oktober und bleibt bis Mai. In Rovaniemi wird Schnee sogar über den Sommer unter Sägespänen in der freien Natur aufgehoben, um einen frühen Saisonstart Anfang Oktober insbesondere für Langlauf-Nationalteams zu garantieren.

30 alpine und nordische Skigebiete gibt es in Lappland, darunter Ylläs mit 330 Kilometern gespurten Loipen. Rund 40 Kilometer davon sind am Abend beleuchtet. Das Streckennetz für Schneemobile umfasst 400 Kilometer.

Die Natur hat sich den arktischen Bedingungen angepasst. Viele Bäume sind kleiner gewachsen, manche Birken stehen monatelang "bis zum Hals" im Pulverschnee und die kräftigen Fichten haben tonnenschwere Schneelasten zu tragen. Die Welt um einen herum versinkt im Weiß. Da wundert es nicht, dass die Samen 300 Worte für Schnee kennen.

Rund 9.000 Samen – sie gelten als das letzte indigene Volk Europas – leben in Lappland. Sie unterhalten in Inari zwar ein eigenes Parlament und genießen zahlreiche Minderheitenrechte, gelten aber als gefährdetes Volk. Von ihnen erfährt man – wenn man sich darauf einlässt – viele mystische Geschichten über die Natur, Trolle und Elfen.

Foto: visit finland/Taipale Brothers

5. Geschwindigkeit

Finnland hat nicht ohne Grund überproportional viele Rennfahrer hervorgebracht. Lapplands Straßen sind die besten Fahrlehrer. Salzstreuung sucht man hier vergebens, Spikes sind im Winter Vorschrift. Wer dennoch die hohe Kunst des Slidens und Driftens erlernen will, kann das auf speziellen Parcours bekannter Autohersteller auf Eis und Schnee in Levi oder Ivalo tun.

Die Lust am Geschwindigkeitsrausch lässt sich aber auch bei Motorschlittentouren auf zugefrorenen Seen oder mit dem Huskyschlitten zelebrieren. Wer es gemächlicher mag, lässt sich von Rentieren durch die Landschaft ziehen.

Foto: visit finland

6. Outdoor

Für die Einwohner Lapplands beginnt im März die schönste Zeit des Winters. Täglich gewinnen sie acht Minuten an Sonnenlicht, die Temperaturen sind schon spürbar milder, und doch liegt noch genug Schnee für alle Winteraktivitäten wie Schneeschuhwandern, Fatbiken und Allmountain-Skifahren.

Aufwärmen kann man sich danach in einer Kota – nach oben hin spitz zulaufenden Holzhütten mit offener Feuerstelle; oder nach der Sauna beim Sprung in ein Eisloch abkühlen. Wenn einen das eisige Wasser überrascht, bekommt man für wenige Sekunden ein Gespür für die arktischen Bedingungen, mit denen die Menschen hier seit jeher kämpfen.

Foto: visit finland/Juho Kuva

7. Architektur

Rovaniemi ist bekanntermaßen Heimat des laut Tourismuswerbung "einzigen und echten Weihnachtsmannes". 32.000 Briefe landen zur Weihnachtszeit täglich in seinem Postamt. Die darin geäußerten Wünsche: ein Teddybär, eine gesunde Mama oder Weltfrieden. Die Stadt am Polarkreis verzeichnet in den letzten Jahren enorme Besucherzuwächse – im Dezember 2016 zählte sie 100.000 Übernachtungen.

In den Hintergrund gerät dabei völlig zu Unrecht, dass Rovaniemi die einzige vom finnischen Stararchitekten Alvar Aalto entworfene Stadt ist. Nachdem deutsche Truppen bei ihrem Rückzug den gesamten Ort niedergebrannt hatten, entwickelte Aalto in nur acht Monaten mit unglaublichem Vorausblick einen Grundriss, der einem Rentiergeweih gleicht. Den Anforderungen der heute 60.000 Einwohner zählenden Stadt wird die Planung heute noch gerecht.

Foto: Visit Finland

8. Wild Food

"Wir gehen nicht jagen, wir gehen Essen holen," sagt Jari Rossi, ein Same aus der Region Muonio. Trophäenjagd ist den Samen unbekannt. Was erlegt wird, wird gegessen. So kauft man Rentierfleisch üblicherweise nicht beim Fleischhauer, sondern hält eigene Tiere oder hat einen Freund, bei dem man Fleisch bezieht.

Rossi fischt im Winter wie seine Vorfahren, mit einem 30 Meter langen Netz unter meterdickem Eis im See Jerisjärvi. "Wir können nur nehmen, was uns die Natur gibt", meint er und wirft eine zum Verzehr zu kleine Maräne zurück in den See – nicht ohne sie vorher symbolisch geküsst zu haben und ihr zuzurufen: "Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder!"

Längst hat die gehobene Küche das "wild food" Lapplands entdeckt und bemüht sich, den Mief der eintönigen Eintopf- und Auflaufküche loszuwerden. Junge Köche verwenden alles, was Wald und Wasser hergeben: auch Beeren, Pilze und Moose.

Foto: visit finland/Elina Sirparanta

9. Polarlichter

Die Region Enontekiö kann sich rühmen, mit 200 Nächten über die höchste Dichte an Polarlichtsichtungen zu verfügen. Die Nordlichter sind wie eine Melodie aus Grüntönen, Formen und Rhythmen. Eine, die keinem Gesetz und keinem Muster folgt.

Foto: visit finland/Jorma Luhta/Leuku

10. Mitternachtssonne

Wenn der letzte Schnee in der Sonne weggeschmolzen ist, explodiert die Natur. Sie muss sich beeilen, denn der Sommer ist kurz – und hell. Ganz im Norden geht die Sonne 70 Tage lang nicht unter. Zeit, die die Finnen in vollen Zügen genießen. Entweder an ihrem Lieblingsrückzugsort oder bei typischen Aktivitäten: etwa nachts um drei Uhr Golf spielen. (Tarja Prüss, 23.3.2017)

Foto: visit finland

Anreise & Info

Anreise: z.B. mit Finnair von Wien oder Salzburg über Helsinki nach Kittilä, Rovaniemi oder Ivalo.

Unterkunft
Appartements und Ferienhäuser in Lappland: shop.destinationlapland.com
Hotels: z.B. Aurora Estate: auroraestate.fi oder Harrivina Hotels & Safaris: www.harriniva.fi

Aktivitäten

Rentierschlittenfahrt: www.harriniva.fi/en/destinations/torassieppi Huskyschlitten: www.wildmotion.fi
Eisfischen: keimionkoukkaus.nettisivu.org

Regionale Infos

Lappland über www.visitfinland.com
Nationalpark Pallas Yllästunturi: www.nationalparks.fi/pallas-yllastunturinp

Tarja Prüss ist Autorin von "111 Gründe, Finnland zu lieben. Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt." Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, € 13,40

Diese Reise erfolgte auf Einladung von Visit Finland und Finnair.

Foto: visit finland/Krista Keltanen