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Stromerzeugung und -verbrauch könnten künftig regional in sogenannten Microgrids organisiert werden, die zur Not auch isoliert vom Gesamtnetz funktionieren sollen.

Foto: dpa / Christian Charisius

Wien – Ein bevorstehender Umbau der Stromnetze in Smart Grids soll die Erzeugung, die Speicherung und den Verbrauch von Energie möglichst effizient koordinieren. Der Einsatz CO2-neutraler Energieformen von Solar- bis zu Biomasseanlagen soll mit einer dezentralen Struktur einhergehen, bei der an vielen Orten Strom und Wärme in entsprechende Netze eingespeist wird. Bei Stromspitzen werden dann, vermittelt über den Strompreis, etwa Speicher gefüllt, verstärkt Akkus von E-Autos geladen oder zeitlich flexible Verbraucher aktiviert werden.

Michael Stadler tritt an, in diese neue Organisationsform der Energieversorgung eine weitere Ebene einzuziehen. Der Energiewirtschaftler und Elektrotechniker aus Niederösterreich forschte in den vergangenen zehn Jahren am Lawrence Berkeley National Laboratory der Universität von Kalifornien unter anderem an Microgrids, die als eine kleinräumigere Unterordnung von landesweiten Smart Grids fungieren sollen.

Regionale Netze

"Ein Microgrid kann ein einzelnes Gebäude, ein Uni-Campus oder ein kleinerer Stadtteil sein", sagt der Wissenschafter. "Die regionale Zuordnung ist wichtig. Zwischen Erzeuger und Verbraucher sollen nicht tausende Kilometer liegen. Die Microgrids sollen letzten Endes auch isoliert von dem übergeordneten Gesamtnetz betrieben werden können."

In den USA mit ihrer individualistischen Tradition fällt diese Idee auf fruchtbaren Boden. Blackouts, egal ob durch Hurrikans oder veraltete Energieinfrastruktur bedingt, könnten der Vergangenheit angehören.

Kalifornien, wo bereits bis 2030 eine Dezentralisierung des Stromnetzes abgeschlossen sein soll, gab für Stadler jenes Umfeld, in dem seine Karriere abhob: Bis Februar 2017 leitete er eine 40-köpfige Forschungsgruppe zum Thema smarte Integration in Berkeley, daneben ein 15-köpfiges Microgrid-Team. Als bisher erster Österreicher wurde der geborene Wissenschafter vom Ex-Präsidenten Barack Obama mit dem Presidential Early Career Award for Scientists and Engineers (PECASE) geehrt, der höchsten Auszeichnung der US-Regierung für Leistungen junger Wissenschafter.

Büro in Wieselburg

Seit März befindet sich eines von Stadlers Büro auch in Wieselburg in Niederösterreich, nicht weit vom kleinen Ort Hofamt Priel, wo er aufwuchs. "Nach einer gewissen Zeit sehnt man sich nach etwas Abwechslung", sagt der Summa-cum-laude-Absolvent der TU Wien über seine persönlichen Beweggründe. Beruflich hat er ein Angebot des Comet-Forschungszentrums Bioenergy 2020+ angenommen. Sein wissenschaftliches Thema hat er mitgebracht: Er wird auch hier einen Forschungsbereich zu Microgrids und Smart Grids aufbauen. Berkeley bleibt er als Gastwissenschaftler und Berater erhalten.

In den USA und Asien sind unzuverlässige Netze ein Argument für die Microgrids. Auch wenn die "Energiekultur" der USA anders aussieht als jene in Europa und Österreich – Stadler glaubt, dass sie auch hier Bedeutung erlangen. "Ich könnte mir für die Zukunft eine Art Hybridsystem vorstellen. In Städten ist eine voll dezentrale Energiewirtschaft schwierig, auf dem Land dagegen kaum ein Problem."

Welche Rolle die zentralen Energieversorger künftig einnehmen, ist im Detail nicht absehbar. "In den USA gibt es Tests, wie sich Microgrids gegenseitig stützen und ihren Energiehaushalt ausgleichen können", so Stadler.

Microgrids in Asien

Potenzial haben Microgrids zudem im asiatischen Raum. "Viele Länder haben etwa die Festnetztelefonie übersprungen und sind gleich mit Mobilfunk eingestiegen. Genauso könnten Regionen mit wenig entwickelter Energieinfrastruktur gleich Microgrids aufbauen."

Ein erstes Projekt Stadlers in Wieselburg widmet sich der Vernetzung von Gas-, Strom- und Wärmenetzen. "In den USA bemüht man sich, bei der Stromerzeugung die Abwärme direkt in den Microgrids zu nutzen. Hier in Österreich hat Fernwärme große Bedeutung. Biomasseanlagen könnten optimiert werden, um vermehrt auch Strom lokal zu erzeugen", gibt der Wissenschafter ein Beispiel.

Und wie macht sich Österreichs Forschungslandschaft im Vergleich zu Kalifornien? "Natürlich ist man hier sehr bemüht. Aber es gibt strukturelle Unterschiede, was Größe, Kapital und verfügbare Forscher betrifft, die man nicht wegdiskutieren kann", erklärt Stadler. "In Kalifornien gibt es mehr Risikokapital als in ganz Europa und einen Wissenschafterpool mit weltweitem Einzugsgebiet." (Alois Pumhösel, 26.3.2017)