Seit seiner Entdeckung im Jahr 2013 zerbrechen sich Astrophysiker die Köpfe über den Exoplaneten HD 106906b.

Illustr.: Nasa

Die Simulation der Gas- und Staubscheibe um das Zentralgestirn lässt darauf schließen, dass HD 106906b weit weg von jener protoplanetaren Scheibe entstand, in der normalerweise Planeten heranwachsen.

Illustr.: Erika Nesvold/Carnegie Institution for Science

Die ESO-Aufnahme zeigt die Materiescheibe um den Stern HD 106906 (links unten) und den Gasriesen mit elffacher Jupitermasse in der rechten oberen Ecke.

Foto: ESO and A.M. Lagrange/Université Grenoble Alpes

Los Angeles – Eine Welt, die "eigentlich nicht existieren dürfte": So bezeichneten die Astronomen einen jungen Exoplaneten in rund 300 Lichtjahren Distanz, der 2013 im Sternbild Kreuz des Südens entdeckt wurde. Was den Himmelskörper mit der Bezeichnung HD 106906b so besonders macht, ist nicht etwa seine Größe – und die ist mit der rund elffachen Jupitermasse tatsächlich enorm – sondern die außergewöhnliche Entfernung, in der er sein Zentralgestirn umkreist: 650 Astronomische Einheiten (also der 650-fache Abstand zwischen Erde und Sonne) ist dessen Orbit weit; für eine vollständige Umrundung benötigt der Gasriese etwa 1.500 Jahre.

Da sich HD 106906b damit weit jenseits der zirkumstellaren Scheibe aus Gas und Staub befindet, in der normalerweise die Planeten geboren werden, fragten sich die Wissenschafter natürlich, wie das bizarre Objekt so weit draußen entstehen konnte. Bisher wurde keine passende Theorie dafür gefunden: Für ein gescheitertes Doppelsternsystem ist der Masseunterschied zwischen dem Gasplaneten und seinem Stern zu groß. Und gegen die These, dass er von auswärts eingefangen wurde, spricht sein geringes Alter von rund 13 Millionen Jahren, das er zudem mit seinem Zentralgestirn teilt.

Daher zogen die meisten Forscher einen anderen Schluss aus dieser seltsamen Konstellation: Der Exoplanet dürfte ursprünglich bedeutend weiter innen herangewachsen sein. Durch gravitative Wechselwirkungen gelangte er schließlich auf jene ferne Kreisbahn, auf der er heute zu finden ist.

Doch kein Wanderplanet

Ein Team um Smadar Naoz von der University of California in Los Angeles widerspricht nun allerdings dieser These. Auf Basis eines detaillierten Modells der protoplanetaren Scheibe gelangten die Astrophysiker zu dem Ergebnis, dass HD 106906b tatsächlich in großer Entfernung zum Mutterstern entstanden sein dürfte.

Die Berechnungen von Naoz und ihrer Kollegin Erika Nesvold zeigten, dass sich die aktuelle Form der Gas- und Staubscheibe auch ohne die Anwesenheit weiterer Exoplaneten erklären lässt, die nötig wären, um HD 106906b aus der inneren Region zu bugsieren. Im Gegenteil: Das Aussehen der Scheibe passt gut zu der Annahme, dass HD 106906b schon immer in der Ferne seine Runden gedreht hat. Wäre er zu einem früheren Zeitpunkt aus der näheren Umgebung des Sterns nach außen gewandert, hätte die ringförmige Materieansammlung demnach heute eine völlig andere Form.

Das freilich stellt die Forscher erneut vor die Frage, wie sich der Exoplanet gebildet haben könnte. "Unsere derzeit gültigen Theorien zur Planetenentstehung können eine Geburt abseits der protoplanetaren Scheibe jedenfalls nicht erklären", meint Naoz. Die Forscher hoffen, dass künftige Entdeckungen ähnlicher Systeme etwas Licht in diese mysteriöse Angelegenheit bringen werden. (tberg, 25.3.2017)