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Wien – Die Regierungsparteien sind sich einig, und das muss reichen – so könnte man die Linie von SPÖ und ÖVP in Sachen Versammlungsrecht zusammenfassen. Sie wollen die Reform, die unter anderem ein Auftrittsverbot für ausländische Politiker vorsieht, im Eilverfahren, ohne Begutachtung und ohne Ausschussdebatte, beschließen.

Normalerweise gibt es bei der Entstehung von Gesetzen eine mehrwöchige Frist, während der sich alle, die von dem Gesetz betroffen oder sonst irgendwie daran interessiert sind, mit Kritik und Lob einbringen können. In diesem Begutachtungsverfahren melden sich in der Regeln die Kammern, die Bundesländer, aber auch Experten aus Wissenschaft und Praxis wie etwa NGOs zu Wort.

Feedback, nein danke

Immer wieder kam es nachträglich zu Änderungen am Entwurf, weil einzelne Reformpunkte für besonders viel Kritik gesorgt hatten. Auf dieses Feedback wollen die Regierungsparteien diesmal verzichten, sie begründen das mit Zeitnot: Da das türkische Referendum am 16. April stattfindet und die Werbung dafür in vollem Gange ist, müsse das Anti-Ausländerwahlwerbungs-Gesetz so bald wie möglich in Kraft treten, heißt es.

Allerdings geht es im aktuellen Vorhaben nicht nur um eine "Lex Erdogan". In einem Aufwaschen sollen auch gleich andere Änderungen im Versammlungsgesetz verankert werden. So sollen Versammlungen künftig nicht spätestens 24 Stunden, sondern 48 Stunden vor Beginn der Demo angezeigt werden, um der Polizei genügend Zeit für die Vorbereitung des Einsatzes zu geben. Die 24-Stunden-Regelung gilt seit 1968, davor lag die Frist bei drei Tagen, die Verkürzung der Anzeigefrist war ein Schritt in Richtung einer Ausweitung des Demonstrationsrechts. Dass eine Demo nicht angezeigt wurde, gibt der Polizei aber noch nicht das Recht, die Versammlung aufzulösen: Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gut geschützt.

Dennoch sitzt die Polizei auf dem längeren Ast. Sie unterliegt bei der Untersagung einer Demo zwar strengen Bedingungen, überprüft wird das aber immer erst im Nachhinein, also in der Regel Monate nach dem Zeitpunkt, an dem die Demo hätte stattfinden sollen.

Eilverfahren "ein Ärgernis"

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht im STANDARD-Gespräch "kein gravierendes Problem" in der 48-Stunden-Regel. Auch gegen die "Lex Erdogan" und die geplanten Demo-Schutzzonen hat er keine ernsten Bedenken. Dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) an seinem Plan festhält, Spaßdemos einzuschränken, hält Funk weiterhin für undenkbar. Per Gesetz zu definieren, wo die Kundgebung endet und die Spaßdemo beginnt, sei "eine harte Nuss, an der sich jeder, der es versucht, die Zähne ausbeißen wird", meint Funk.

Dass die Novelle ohne Begutachtung beschlossen werden soll, sei "unschön", ein solches Eilverfahren sei "demokratiepolitisch immer ein Ärgernis", sagt Funk, räumt aber ein, dass die Zeitnot angesichts des Türkei-Referendums "ein Argument ist, das man nicht vom Tisch wischen sollte".

Dass Gesetzesvorhaben ohne Begutachtungsfrist beschlossen wurden, kommt immer wieder vor und sorgt jedes Mal für Kritik. Dass aber nicht einmal der zuständige Ausschuss im Nationalrat mit der Vorlage befasst wird, passiere "eher selten", sagt Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen zum STANDARD. Eine Begutachtung sei zwar nicht zwingend vorgeschrieben, sie sei aber Usus.

Technisch funktioniert das Eilverfahren so: Die Regierungsparteien bringen ihren Entwurf in einer Nationalratssitzung ein. Am selben Plenartag wird dann eine sogenannte Zuweisungssitzung einberufen, um den Entwurf dem zuständigen Ausschuss zuzuteilen, wobei für die Behandlung im Ausschuss eine Frist gesetzt wird. Im Eilverfahren ist die Frist so kurz, dass innerhalb dieses Zeitraums gar keine Ausschusssitzung stattfindet – die Novelle kann also ohne Ausschussdebatte im Plenum beschlossen werden. Da Änderungen im Versammlungsgesetz keine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern, reichen dafür die Stimmen von SPÖ und ÖVP. (Maria Sterkl, 23.3.2017)