Zwischen Raben entstehen Bindungen, die Raum und Zeit überdauern.

Foto: Matthias Loretto

Wien – Weil es Rabenvögel in Sachen Intelligenz durchaus mit größeren Primaten aufnehmen können, sind sie für die Forschung besonders interessant. Auch bei ihnen gilt das Leben in sozialen Gruppen als Schlüsselfaktor.

Forscher um Matthias-Claudio Loretto vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien haben nun eine besondere Form von sozialen Beziehungen in der Rabenwelt näher untersucht: die zwischen Junggesellen. Die Wissenschafter haben nicht brütende Kolkraben in Österreich, Frankreich und Italien eingefangen, markiert und teilweise mit GPS-Geräten (Globales Satelliten-Positionsbestimmungssystem) ausgestattet, um dahinter zu kommen, wo und wie oft sie einander treffen. Über ihre Erkenntnisse berichten sie im Fachjournal "Scientific Reports".

Beobachtungen

Beim Cumberland Tierpark im oberösterreichíschen Grünau (OÖ) beobachteten die Forscher zum Beispiel während der Fütterungen von Bären, Wölfen und Wildschweinen über Jahre hinweg, welche der markierten Raben zum "Mitnaschen" erschienen und dabei mit Artgenossen zusammenkamen.

Außerdem bekamen Raben in Österreich und Frankreich kleine Rucksäcke mit GPS-Empfängern umgehängt, die stündlich die Aufenthaltsorte der Tiere ermittelten und die Daten per Mobilfunknetz an die Forscher sandten. "Wir haben daraus die Entfernungen zwischen den Raben berechnet und herausgefunden, dass sie sich oft gemeinsam auf engstem Raum befinden", sagt Loretto.

Touristen am Buffet

Es zeigte sich, dass sich manche der Junggesellen mit relativ kleinen Gebieten bescheiden. Andere hingegen wandern über Flächen von tausenden Quadratkilometern hinweg. Und immer wieder treffen dabei dieselben Tiere aufeinander, es bilden sich Freundschaften.

Die Raben treffen sich – durchaus erwartbar – vor allem auf Plätzen, wo viel Nahrung zu finden ist, wie in Tierparks oder bei Kompostieranlagen. Die Raben besuchen aber laut den GPS-Daten auch die Terrassen von Schihütten und stürzen sich dort wohl auf die Essensreste, sobald die menschlichen Gäste weg sind.

Tiere wie wir

Die Raben würden dabei erstaunliche Ähnlichkeiten mit den Menschen zeigen. Manche verbringen ihr Leben vor allem an einem Ort, manche sind ständig auf der Reise und ziehen häufig um, so die Forscher. Und genau so wie die Menschen ist es für die Raben wohl sehr hilfreich, wenn sie in der Ferne auf Bekannte treffen, weil sie sich dann dort besser zurechtzufinden.

Denn nicht nur zu Freundschaften kommt es, es wird auch gestritten. Für einen Raben ist es von Vorteil zu wissen, wer ihm gegenüber freundlich oder eher feindlich eingestellt ist. "Wir konnten bereits bei Versuchen in großen Volieren beobachten, dass die Raben soziale Bindungen haben und sehr viel Wissen über andere Individuen besitzen, aber das ist nur nützlich, wenn sie auch in der Natur wiederholt miteinander in Kontakt stehen" , sagt Loretto. Freundschaften bei Nichtbrütern und das Zusammenleben in dynamischen sozialen Gruppen dürften die Intelligenz der Raben im Lauf der Evolution gefördert haben. (APA, red, 23. 3. 2017)