Berlin – In der menschlichen Entwicklung hat es im vergangenen Vierteljahrhundert beeindruckende Fortschritte gegeben, doch Millionen Menschen bleiben abgehängt. Das geht aus einem am Dienstag vorgelegten Bericht des Uno-Entwicklungsprogramms (UNDP) hervor.

"Über die vergangenen Jahrzehnte haben wir Erfolge in der menschlichen Entwicklung erlebt, die einst als unmöglich galten", erklärte der leitende Autor Selim Jahan in Berlin. Vor allem Frauen, Minderheiten und Flüchtlinge würden davon aber nicht erreicht.

Die seit 1990 erzielten Fortschritte seien beeindruckend, heißt es in dem Uno-Bericht. "Die Menschen leben länger, mehr Kinder besuchen eine Schule, und mehr Menschen haben Zugang zu einer sozialen Grundversorgung". Zudem sei eine Milliarde Menschen aus extremer Armut herausgekommen.

Große Kluft

Die Entwicklung sei aber uneinheitlich, kritisieren die Uno-Experten. In allen Regionen stünden Frauen schlechter da als Männer, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im deutschen Bundesentwicklungsministerium, Thomas Silberhorn (CSU), bei der Vorstellung des Berichts. Diese Kluft müsse unbedingt geschlossen werden. "Denn dort, wo Frauen Zugang zu Bildung, Eigentum und Finanzen haben, geht die Entwicklung eines Landes deutlich schneller voran", erklärte Silberhorn.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es häufig systematische Benachteiligungen sind, die Frauen und andere Gruppen vom Fortschritt ausschließen. Diese Entwicklungshemmnisse sind demnach nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer, sozialer und kultureller Natur.

Wenig aussagekräftige Durchschnittswerte

Neben Frauen sind dem Bericht zufolge in nahezu jedem Land bestimmte Gruppen von Fortschritten ausgeschlossen: Bewohner ländlicher Regionen, indigene Völker, ethnische Minderheiten, Behinderte, Homosexuelle, Migranten und Flüchtlinge. "Wir legen zu viel Aufmerksamkeit auf nationale Durchschnittswerte, die oft enorme Variationen in den Lebenswirklichkeiten der Menschen verdecken", kritisierte Jahan.

Zusammen mit dem Bericht wurde auch der Index über die menschliche Entwicklung vorgestellt, der das Niveau der menschlichen Entwicklung anhand von Bildung, Lebenserwartung und dem Lebensstandard erfasst. Auf dem Spitzenplatz landet wie schon im Vorjahr Norwegen. Deutschland verbessert sich um zwei Plätze und liegt auf Platz vier. Die Uno weist jedoch darauf hin, dass es auch in Deutschland ein Gefälle bei der Verteilung menschlicher Entwicklung gibt.

Skandalöse Hungersnot

Am niedrigsten war das Level der menschlichen Entwicklung den Angaben zufolge in der Zentralafrikanischen Republik. Auch viele andere afrikanische Länder befinden sich demnach unter den Staaten, die von Erfolgen bei der menschlichen Entwicklung bisher wenig profitiert haben. Dies verdeutlicht auch die derzeitige Hungersnot in Ostafrika. Silberhorn bezeichnete es als Skandal, "dass derzeit Millionen Menschen am Horn von Afrika hungern müssen".

Jahan forderte als Konsequenz aus dem Bericht, bei den Nachhaltigkeitszielen der Uno einen Fokus auf diejenigen zu legen, die bei der Entwicklung bisher am weitesten zurückgeblieben sind. Die Agenda, die 2015 von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, soll bis 2030 umgesetzt werden. (APA, 27.3.2017)