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Das Bauen auf der grünen Wiese mag für den Investor billiger sein. Mit Zu- und Abfahrten, Kanalisation, Elektrik und Parkplätzen kommt es aber zu viel zusätzlich versiegeltem Boden.

Foto: ap/Jens Büttner

Wien – Es ist eine gravierende Fehlentwicklung, die Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, Sorgen macht: "Wir haben einen Rekord an leerstehenden Immobilien. Kein Land in Europa geht so sorglos mit Grund und Boden um wie wir."

Der Naturkatastrophenversicherer hat deshalb in einer Studie des Instituts für Höhere Studien untersuchen lassen, wie der Bodenverbrauch eingedämmt werden könnte. Und wie der bestehende dahingammelnde Gebäudebestand wiederbelebt oder aber abgetragen werden könnte. Denn laut Schätzungen des Umweltbundesamtes gibt es derzeit rund 50.000 Hektar – das sind 75.000 Fußballfelder – an verfallenden und leerstehenden Gebäuden. Weinberger: "Zum Vergleich: 40.000 Hektar umfasst die Fläche von Wien."

Brachflächenrecycling

Laut Beate Friedl vom Kärntner IHS müsste es zu einer Einschränkung der Bauaktivitäten auf nicht erschlossenen Flächen kommen, sodass Aktivitäten auf Brachflächen zurückgebracht werden. Dies ist vielfach nur durch finanzielle Anreize möglich, erläutert sie. Denn natürlich ist es billiger, auf der grünen Wiese zu bauen. Von dem Risiko, dass Brachflächen womöglich kontaminiert sind, gar nicht zu sprechen. Dort, wo keine Wiedernutzung möglich ist, sollte der Nutzen solcher eigentlich toten Flächen als strategische staatliche Maßnahme ins Auge gefasst werden. Dies sei nur mit Beteiligung der öffentlichen Hand möglich, erläutert Friedl.

Alexander Schnabl, ebenfalls vom IHS, versuchte auszurechnen, wie eine solche Brachflächenförderung aussehen könnte. "Versuchte" deshalb, weil er bei seinen Berechnungen auf keine vorhergehenden Analysen zurückgreifen konnte. Er arbeitete mit Annahmen wie der, dass die Mehrkosten einer Brachflächenrevitalisierung gegenüber einem Neubau staatlich gefördert werden. Seine Annahme: Die Zuschussquote beträgt 50 Prozent der Mehrkosten. Außerdem: Der Staat stellt zehn Jahre lang jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Volkswirtschaftliche Effekte

Neben den ökologischen Effekten und dem, dass man "dem Land seine Schönheit wieder zurückgeben würde" (Weinberger), hätte eine solche Brachflächennutzungsmilliarde auch volkswirtschaftliche Effekte. Erwartet wird, dass es zu erheblichen Kapazitätsausweitungen bei Abbruch- und Entsorgungsarbeiten käme und dass Test- und Suchbohrungen durchgeführt werden müssten. Schnabl kommt zu einer Wertschöpfung von 2,14 Milliarden Euro und einem beträchtlichen Arbeitsplatzzuwachs.

Die extrem große Brachfläche in Österreich ist ein Ausfluss des bekannten hohen österreichischen Bodenverbrauchs. Täglich werden 20 Hektar oder 30 Fußballfelder zubetoniert. Die Hagelversicherung, ein Katastrophenversicherer für die Landwirtschaft, stört diese zunehmende Bodenversiegelung vor allem aus ökologischen und klimaschützerischen Gründen. Nicht nur gefährdet die Verbauung à la longue die Versorgung Österreichs mit heimischen Lebensmitteln, auch führt zu viel Betonierung dazu, dass bei Überschwemmungen das Wasser nicht abfließen kann und sich Wassermassen zu einer noch größeren Katastrophe auswachsen.

Man müsse bewusst machen, dass nicht immer neu gebaut werden muss, sagte Nationalbankpräsident Claus Raidl, der die Initiative unterstützt. Strengere Bestimmungen für Neuwidmungen seien notwendig.

Friedl sieht die Raumplanung gefordert. "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" müsse regulatorisch fixiert werden. Das heißt: Baulücken sind zu schließen, bevor es zu einer Ortschaftserweiterung oder den berühmten städtischen Speckgürteln kommt. Ein Flächeninformationssystem, wie es beispielsweise die Bayern bereits haben, würde ersten Aufschluss über Brachflächen geben. (ruz, 30.3.2017)