Ernst Ogris (links) im November 1987 in Aktion. Der andere Herr ist Peter Jany vom Sportclub, die Wiener Austria siegte damals im Horrstadion glatt mit 5:1. Ogris erzielte in 154 Bundesliga-Partien 41 Tore. Fürs Nationalteam traf der 1,72 Meter große Mittelstürmer einmal, für Hertha BSC siebenmal.

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Der 5. Juni 1991: Österreich unterlag in Odense Dänemark mit 1:2, Ernst Ogris traf per Seitfallrückzieher.

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Wien – Der ehemalige österreichische Fußballer Ernst Ogris ist im Alter von 49 Jahren in Wien nach kurzer Krankheit gestorben. Der jüngere Bruder des vielfachen Teamstürmers Andreas Ogris spielte bei der Austria, St. Pölten und der Admira, mit der er im Cupfinale 1992 (0:1 gegen Austria) stand. In seinem einzigen Länderspiel erzielte Ogris unter Teamchef Alfred Riedl am 5. Juni in Odense gegen Dänemark (1:2) das Tor für Österreich.

Nach einem kurzen Gastspiel bei Hertha BSC in der zweiten deutschen Liga (1994/95) beendete Ogris bei der Admira nach 154 Spielen (41 Treffer) seine Karriere in Österreichs Oberhaus. Seit 2008 trainierte Ogris unterklassige Vereine, zuletzt den SV Eichgraben in Niederösterreich.

Zur Erinnerung veröffentlicht der STANDARD noch einmal den am 12. Dezember 2016 im Rahmen der Serie "Das wurde aus ..." erschienenen Text "Der Schmähbruder von Strebersdorf".

Ernst Ogris 1967–2017
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Der Schmähbruder von Strebersdorf

Ernst Ogris hat "Hieb' abbekommen". Er war sozusagen der Watschenbaum der Familie, ein Los der späten Geburt. Strebersdorf ist ein hartes Pflaster, die vier Brüder hatten ausschließlich Fußball im Schädel. Anfang der 70er waren die sogenannten Käfige in Wien noch legendär, wobei der Käfig der Ogris-Buam eine grüne Wiese war. Zum Leidwesen der Nachbarn, deren Sehnsucht nach Stille ignoriert wurde. Die Bälle wurden gegen Fenster, auf Balkone und in Vorgärten gefetzt, der kleine Ernsti musste über Mauern und Hecken klettern, sie wieder einsammeln. Schon hatte die grantige alte Frau ihren Stecken ausgepackt und dem Ernsti damit eine übergezogen. Manchmal hat sie ihn verfehlt, denn schnell ist er immer gewesen. Es gab auch den bladen Mann, der hat wenigstens seine bloßen Hände benutzt. "So war das damals."

Der Vater arbeitete als Fernfahrer, war drei Wochen weg und eine Woche daheim. Die Last der Verantwortung hat die Mama getragen. Und ertragen. "Eine Heldin, eine Dompteuse, ein Fulltimejob. Denn wir waren schrecklich." Der gut drei Jahre ältere Andi kickte eine Spur besser. Er sollte es auf mehr als 60 Länderspiele bringen, zählt unbestritten zu den Legenden der Wiener Austria. Ernst sagt: "Ich bin im Herzen ein Austrianer, aber sicher keine Legende." Wobei das Leben, die Karriere als kleiner Bruder kein ausuferndes Problem gewesen ist. "Uns war das wurscht, er war der Andi, ich der Ernsti. Er war mein Vorbild." Der Kontakt ist aktuell ziemlich lose. "Warum, geht niemanden etwas an, Privatsphäre. Irgendwann wird es wieder."

Ernst Ogris sitzt in seinem Stammlokal im ersten Bezirk. Er lebt mit Frau und Hund in Kaisermühlen, mit der U-Bahn ist es ein Katzensprung, die Jahreskarte macht Sinn. "Mir geht es gut, ich bin zufrieden." Die diagnostizierte Gicht ist halt ein "rechter Schas", vor und nach dem Rindsgulasch "muss ich ein Pulver nehmen". Der Fußball hat Spuren hinterlassen, die Knie sind ziemlich kaputt, den erlernten Beruf eines Dachdeckers kann er nicht ausüben. "Dafür bin ich im Kopf jung." Seit eineinhalb Jahren hat er einen wunderbaren Job, ist beim Fahrtendienst ÖHTB angestellt, chauffiert alte, behinderte und kranke Leute durch Wien. "Ich mache das mit Leidenschaft, sie lieben mich, ich liebe sie." Fünfmal die Woche steht er knapp vor vier Uhr früh auf. "Es macht so viel Spaß, da schaue ich nicht auf die Uhr." Er habe jedenfalls seine soziale Ader entdeckt. "Sie hat in mir geschlummert. Mein Motto war immer: Leben und leben lassen. Ich hab halt an Ehrenkodex."

Zwei Füße

Ernst Ogris war Mittelstürmer. Der rechte Fuß eine ziemliche Waffe, der linke auch kein Schmutz. "Bei der Austria haben wir gelernt, dass der Mensch zwei Füße zur Verfügung hat." 1985 haben ihn die Violetten verpflichtet, Trainer war Thomas Parits. "Der Beste überhaupt." 1988 wurde er an St. Pölten verliehen, es sollte die schönste Zeit werden. Das lag nicht nur, aber schon auch an Mario Kempes. "Der war fußballerisch und menschlich schwer in Ordnung, hat nie den Superstar rausgehängt, hat sich um uns Junge gekümmert." Ernst ist trotzdem eine Rotzpipp'n, ein Original, ein Schmähbruder geblieben. "Ich wurde nicht wirklich ans Profileben herangeführt. Mein Talent stand mir oft im Weg."

Die Einstellung passte aber. "Hab ich tschechert, bin ich am nächsten Tag zum Training gegangen. Ich hab nie angerufen und irgendwas von aner Fischvergiftung erzählt, damit ich meinen Rausch ausschlafen kann."

Auf St. Pölten folgte die Admira, der 5. Juni 1991 sollte ein prägender Tag werden. Alfred Riedl hatte ihn ins Nationalteam berufen. Österreich unterlag in Odense Dänemark mit 1:2, Ernst Ogris erzielte das Ehrentor, ein spektakulärer Seitfallrückzieher. Es war sein erstes und letztes Länderspiel. Diverse Verletzungen verhinderten eine großartige Karriere, der Kreuzbandriss war der Tiefpunkt. "Mich hat es dauernd erwischt. Der Andi hat net einmal a Wimmerl am Hintern gehabt."

1993 wurde er von Hertha BSC engagiert, die Berliner waren damals Zweitligist. Es hält sich ein Gerücht, vor dem nicht einmal Wikipedia zurückschreckt. Angeblich sollen die Deutschen geirrt haben, die wollten nämlich den Andi. Ernst Ogris findet das "maximal halblustig. Die waren nicht angesoffen, die haben mich viermal beobachtet." Die Zeit in Berlin sei spannend gewesen. "Ich bin a Stadtmensch."

Lange Laufbahn

Rückkehr zur Admira, danach ging es eher bergab. Schwechat, St. Veit, Helfort, Zwettl, Polizei, Stripfing, Inter Leopoldau und Donaustadt gehören nicht zu den Erfindern des Spiels. "Mir hat es getaugt." 2009 war Schluss. "Mit 42 ist die Zeit überreif."

Er machte den Trainerschein, einen Teil davon. Die A-Lizenz berechtigt das Arbeiten von der Regionalliga abwärts. "Ich brauch nicht das Große, mir ist das Kleine, Familiäre wichtig." Zum Beispiel Aspern, SV Donau, Kapellerfeld, Wiener Viktoria, Helfort. Nun hat er beim SV Eichgraben unterschrieben, zweite Klasse Traisental. "A Herausforderung."

Geld ist dem Ernst nie wichtig gewesen. "A guats Essen ist wichtig." Die aktuelle Generation beneidet er nicht. "Die haben die Kopfhörer angeschraubt, reden wenig, sind schmähbefreit. Sie können sich nicht einmal einen schiefen Schritt erlauben. Das ist der Preis der Millionen." Die Emotionen, etwa die Freude nach einem Tor, vermisst er nicht. "Reißt sich mein Hund vor Freude an Hax'n aus, wenn ich heimkomm, ist das auch Emotion." (Christian Hackl, 30.3.2017)