STANDARD: Sie haben beim Landesparteitag am 25. März mit 98,5 Prozent Zustimmung alle Ergebnisse von Erwin Pröll übertroffen. Werden Sie auch die Absolute halten?

Mikl-Leitner: Vom Landesparteitag nehme ich das Gefühl der Geschlossenheit der Volkspartei Niederösterreich mit. Heute können wir gerne über die Ziele diskutieren, die ich mir für die nächsten Monate gesteckt habe – über das Wahlziel dann vor der Wahl.

STANDARD: Im Bund können SPÖ und ÖVP nicht gut miteinander. Wie lange hält die Koalition noch?

Mikl-Leitner: Das Wichtigste auf bundespolitischer Ebene wäre eine gute Zusammenarbeit.

STANDARD: Sie haben 2013 noch als Innenministerin gesagt, Ihr Ziel für die Bundesregierung sei, dass die Menschen in fünf Jahren sagen: Es geht mir besser als vor fünf Jahren. Ist die Bundesregierung dafür auf dem richtigen Weg?

Mikl-Leitner: Ja, weil die Menschen etwa wieder mehr Sicherheit haben im Bereich Flüchtlingspolitik.

STANDARD: Die Teilnahme am Umverteilungsprogramm von Flüchtlingen in der EU ist nun wieder ein Koalitionsaufreger. Kanzler Kern (SPÖ) will eine Ausnahme für Österreich erwirken. Das taten Sie auch schon. Wird das klappen?

Mikl-Leitner: Damals habe ich mich dafür eingesetzt, dass aus Österreich relocatet wird in andere EU-Staaten. Das wurde von der SPÖ zunächst abgelehnt. Ich wurde oft kritisiert. Ob eine Ausnahme vom Programm erwirkt werden kann, hängt davon ab, wie der Kanzler auf europäischer Ebene Dinge verändern kann.

Johanna Mikl-Leitner kritisiert hohe Abfertigungen in der Wirtschaft – es sei aber nicht Aufgabe der Politik, darin einzugreifen.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Sie sprachen beim Parteitag über soziale Gerechtigkeit und erwähnten "jene, die jedes Maß verloren haben und Millionen an Abfertigung kassieren". Wo wollen Sie da ansetzen?

Mikl-Leitner: Da ist die Wirtschaft gefordert, das richtige Maß zu finden. Das werden wir politisch nicht regeln müssen, da geht es um Vertragsgestaltungen.

STANDARD: Niederösterreich hat die Mindestsicherung mit 1500 Euro pro Haushalt gedeckelt. Wie viele betrifft das?

Mikl-Leitner: Da geht es gar nicht um die Anzahl, sondern um das Signal, dass jene, die von Sozialleistungen leben, nicht mehr in der Tasche haben können, als die, die täglich hart arbeiten. Denn diese Menschen, die das Sozialsystem finanzieren, machen es überhaupt erst möglich, dass wir jene, die es brauchen, auch unterstützen können.

STANDARD: Die Arbeitslosenrate in Niederösterreich liegt mit 10,8 Prozent über dem Bundesschnitt. Was ist zu tun?

Mikl-Leitner: Wir haben viele Einpendler aus EU-Nachbarländern, sehr viele Flüchtlinge und manch Niederösterreicher verliert wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Wien dort seine Arbeit. Es ist wichtig, eine gute Wirtschaftspolitik und vor allem Forschungs- und Wissenschaftspolitik zu betreiben, um neue Arbeitsplätze zu generieren.

STANDARD: Was schwebt Ihnen vor?

Mikl-Leitner: Das werde ich am 19. April bei meiner Angelobung formulieren.

STANDARD: Niederösterreich hat eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung. Die Wohnbauförderungen wurden bereits versilbert, Darlehen in Schweizer Franken aufgenommen, die im Budget noch mit der Kursannahme von 2015 angegeben werden. Wie wollen Sie das angehen?

Mikl-Leitner: Ich freue mich, wenn die Vergleichsrechnung bis 2019 in den Bundesländern umgesetzt ist. Entscheidend ist, das Vermögen des Landes entgegenzustellen.

STANDARD: Niederösterreich steht mit Vergleichsrechnung besser da?

Mikl-Leitner: Ja, weil dann die Mär vorbei ist, dass Niederösterreich so hoch verschuldet sei. Es wurde ein Generationenfonds eingerichtet, von der Verzinsung werden die Mittel in soziale Maßnahmen gesetzt. Damit wurde schon viel umgesetzt. Aber natürlich müssen wir auch weiterhin sorgsam mit den Finanzen umgehen und bei jedem Euro dreimal überlegen, was wir damit machen.

Das Land Niederösterreich stehe finanziell besser da, als der Schuldenstand allein vermuten ließe, argumentiert Mikl-Leitner. Ob sie in der Landesregierung mehr Transparenz walten lassen will, verrät sie noch nicht.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Erwin Pröll musste sich verteidigen, da er Landesgelder für seine Privatstiftung geheim gehalten hat. Ihnen wird künftig die Ausnahme vom Amtsgeheimnis obliegen. Werden Sie Landesregierungsbeschlüsse öfter veröffentlichen?

Mikl-Leitner: Der gesamte Themenkomplex wird derzeit vom Rechnungshof geprüft, und da möchte ich die Ergebnisse abwarten und dann die Schlüsse daraus ziehen.

STANDARD: Unabhängig davon, was der Rechnungshof über die Stiftung feststellt. Werden Sie mehr Regierungsbeschlüsse veröffentlichen?

Mikl-Leitner: Das wird der Rechnungshof zeigen.

STANDARD: Der Landwirtschaftsminister hat gefordert, dass Bundesbehörden in die Bundesländer wandern sollen. Wollen Sie welche nach Niederösterreich holen?

Mikl-Leitner: Ich halte diesen Vorschlag für sehr gut, gerade im Zeitalter der Digitalisierung. Das kann vom Statistischen Zentralamt über die AMA gehen, nur um Beispiele zu nennen. Da werden wir sicher Gespräche führen.

STANDARD: Die Kritik am Urteil gegen die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat war aus der ÖVP sehr laut. Sind Arbeitsplätze wichtiger als Umweltschutz?

Mikl-Leitner: Das eine schließt das andere nicht aus. Aber: Wenn dann alle von Bratislava wegfliegen, was wird dann besser?

STANDARD: Dann ist aber das gesamte Pariser Abkommen hinfällig, wenn jeder Staat sagt, das macht sonst eh der Nachbarstaat.

Mikl-Leitner: Niederösterreich hat viele umweltpolitische Maßnahmen gesetzt. Derartige Kriterien anzulegen, halte ich für brandgefährlich, weil das jeder Weiterentwicklung schaden kann.

STANDARD: Beim Krebsbehandlungszentrum Medaustron des Landes Niederösterreich übernimmt die Sozialversicherung noch nicht die sehr hohen Behandlungskosten. Wie geht es da weiter?

Mikl-Leitner: Wir sind im Gespräch mit dem Hauptverband und dabei auf einem guten Weg. Das Groteske ist, dass viele Patienten zu hohen Tarifen nach Deutschland geschickt werden. Entscheidend ist, dass in Wiener Neustadt schon die ersten Patienten behandelt werden. Wir werden die Patienten da voll und ganz unterstützen. Einige haben schon den Rechtsweg gegen den Hauptverband beschritten. Ich hoffe, dass wir bald eine Lösung finden.

25 Jahre im Amt sind für die künftige Landeshauptfrau keine Option.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Kulturpolitik war ein Steckenpferd Ihres Vorgängers. Er hat auch kontroversielle Künstler angezogen und "umarmt". Wie werden Sie es anlegen?

Mikl-Leitner: Erwin Pröll hat Niederösterreich in den vergangenen 25 Jahren zu einem Kunst- und Kulturland gemacht. Eine aktuelle Studie sagt, dass acht von zehn Niederösterreichern diese Kulturpolitik sehr schätzen. Für mich ist das ein klarer Auftrag, diese erfolgreiche Kulturpolitik fortzuführen. Ein spannendes Feld.

STANDARD: Es wurden auch einigen Künstlern eigene Museen gebaut – ist derlei auch drinnen?

Mikl-Leitner: (lacht) Das wird die Zeit zeigen.

STANDARD: Sie sind die erste Obfrau der ÖVP Niederösterreich. Werden Sie Frauen in der Partei fördern?

Mikl-Leitner: Gottseidank hat sich in meiner 25-jährigen politischen Tätigkeit schon sehr viel verändert. Von meinen fünf Stellvertretern (in der VPNÖ, Anm.) sind drei Frauen. Das ist ein gutes Signal, und mir ist auch wichtig, dass sich Frauen in der Politik engagieren.

STANDARD: Sie werden von der Partei auch nach außen hin immer öfter "Hanni" genannt. Ist das der vornamegewordene Imagewechsel von der harten Innenministerin zur volksnahen Landeshauptfrau?

Mikl-Leitner: Ich werde seit meiner Kindheit "Hanni" genannt und gerade im Funktionärskreis hat man sehr viele Freunde, die einen schon lange kennen. In der Öffentlichkeit bin ich selbstverständlich die Landeshauptfrau.

STANDARD: Werden Sie – wie Erwin Pröll – 25 Jahre Landeshauptfrau sein, so die Wähler es wollen?

Mikl-Leitner: 25 Jahre! Ich hoffe, dann bin ich schon in Pension. (Sebastian Fellner, Gudrun Springer, 31.3.2017)