Alfred Komarek moderiert ab Donnerstag wöchentlich die Büchersendung "Literatour" auf Servus TV.

Foto: Heribert Corn

Seinen ersten Gast, Doris Knecht, traf Alfred Komarek am Wiener Yppenplatz.

Foto: Heribert Corn

Der Schriftsteller und sein Bus.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Wann ist ein Gespräch ein gutes?

Komarek: Wenn die Funken überspringen. Das können positive wie negative Funken sein, aber es muss etwas passieren.

STANDARD: Zwischen Ihnen und Ihrem ersten Gast Doris Knecht hat's gefunkt?

Komarek: Ja, das habe ich aber als sicher angenommen.

STANDARD: Wie lief's?

Komarek: Gut, mir gefiel ihre Aussage, dass sie sich auch ganz andere Themen vorstellen kann, dass sie nicht immer die typische Knecht abliefern wird und will. Mir gefiel ihre Antwort, sie wisse eigentlich nicht, was kommt. Sie hat ein paar Entwürfe in sich und lässt die langsam reifen. Ihre Texte klingen sehr authentisch und sehr nahe am Leben. Da war die Distanz doch größer, als ich es vermutete, was mich auch freut. Weil Autoren, die nur sich selbst beschreiben, denen geht bald der Stoff aus.

STANDARD: Wie wurden Sie Moderator der neuen "Literatour"?

Komarek: Zuerst freut es mich sehr, dass es die Sendung wieder gibt. Der Bücherbus war ja schon einmal bei mir im Weinviertel. Ich wurde gefragt, ob ich es moderieren möchte, und dachte kurz nach, ob das Sinn macht. Man könnte ja meinen, ich sei darauf aus, meine Freunde herzuzeigen. Genau das will ich nicht. Mich interessieren Schriftsteller, schon einmal vom Handwerk her und menschlich, weil sie wenigstens irgendwo ähnlich gestrickt sind. Sie gehen einem wirklich eigenartigen Beruf nach, von dem es nicht so leicht zu leben ist, und marschieren dauernd am Abgrund. Solche Personen kennenzulernen ist für mich spannend. Dazu kam mein Lebensabschnitt. Ich bin nicht mehr der Jüngste, ich höre mit Romanen auf, das heißt, ich schreibe weniger. Die Idee gefiel mir, das ist genau das, wo ich jetzt hinwill.

STANDARD: Warum keine Romane mehr?

Komarek: Weil es eine unglaubliche Schinderei ist. Ich habe sehr gern geschrieben, aber schon beim letzten brauchte ich die doppelte Zeit und ein gutes Lektorat. Die Welt wimmelt von schwachen Alterswerken, und ich habe nicht die Absicht, denen eines hinzuzufügen. Man wird im Alter weder genialer noch gescheiter noch weiser, sondern man baut Kraft ab. Das Werkzeugkistl wird größer, man kann besser mit seinen Ressourcen umgehen, steigt nicht mehr in so viele Fettnäpfchen rein. Mit viel Glück kann man das Niveau halten, aber irgendwann kommt der Abstieg. Der letzte "Polt" lief wirklich gut, das gelingt mir nicht mehr. So ist es ein schöner Abschied. Mir hat immer schon die kleine Form gefallen, ich möchte mehr in die Richtung, aber ich weiß auch nicht genau wohin.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von ihrer Bücherfahrt?

Komarek: Ich habe immer gern literarische Sachbücher gemacht, wie riecht, wie schmeckt ein Lebensraum, und das passt sehr zur Sendung, ich lerne Lebensraum besser kennen und lerne Leute besser kennen, die im Land verwurzelt sind. Ich mag auch Gegenden, wo die Dinge übereinstimmen, wo die Landschaft den Menschen prägt und umgekehrt. Oder Grenzbereiche, wo Brüche sind. Da hoffe ich, einiges zu erleben.

STANDARD: Und was, wenn es mit einem Gesprächspartner einmal gar nicht klappt?

Komarek: Ich kann ziemlich sicher mit allen Autoren, vielleicht nicht mit allen gleich gut. Mich reizt sehr, ins kalte Wasser geschmissen zu werden. Wenn man 40 Jahren schreibt, kriegt man gewaltige Scheuklappen. Jedes Gespräch ist ein Abenteuer. Ich habe die Überzeugung, dass mir das sehr gut tut, geradezu therapeutisch wirkt. Und wenn es kontroversiell wird, ist mir das auch sehr recht. Wenn wir beide mit zwei blauen Augen aufhören: auch nicht übel. Wenn nichts passiert, das wäre blöd.

STANDARD: Nützen Ihnen dabei Ihre Erfahrungen im Radio?

Komarek: Ich bin der grundsätzlichen Meinung, dass man jede Erfahrung, die man im Leben gemacht hat, irgendwann irgendwie brauchen kann. Manche liegen 20 Jahre auf Halde und dann bemerkt man wieder: Öha, da habe ich doch etwas in meinem Fundus!

STANDARD: So lange man sich erinnert, was im Fundus ist, kann das funktionieren.

Komarek: Ich vergesse alles, Namen, Jahreszahlen, ich bringe ganze Jahrhunderte durcheinander. Aber ich vergesse keinen Satz, den ich je gehört habe. Ich kann ihn nicht immer wörtlich wiedergeben, aber ich weiß, wer ihn wo gesagt hat. Der kommt ins Depot.

STANDARD: Beeindruckend, aber auch beängstigend.

Komarek: Ich hatte einmal einen Streit mit einem Journalisten, der abgeschrieben hat. Ich merkte es sofort: Das ist mein Satz.

STANDARD: Sie kommen vom Radio. Hören Sie noch Radio?

Komarek: Viel, ich habe zwei Digitalradios und halte Radio für das spannendere Medium als das Fernsehen. Der beste Sender für mich ist Radio Salzkammergut. Das sind eine Handvoll Leute, und sie senden alles, was aus der Region kommt und eine gute Qualität hat. Da sitze ich im Vorstand und verfolge das mit Wohlwollen. Die imponieren mir, weil sie ein frisches, spannendes Radio machen.

STANDARD: Und wie ist es, sich vor der Kamera zu bewegen?

Komarek: Ich habe seit sieben Jahren in ORF Niederösterreich eine ganz kleine Sendung. Das spießt sich mit der überhaupt nicht, ich spüre dort kuriose Sehenswürdigkeiten in Niederösterreich auf. Also bin ich es gewohnt. Nach meinen ersten Ö3-Jahren hatte ich ein ziemliches Hoch, auf einmal bin ich ins Bodenlose gefallen und war eineinhalb Jahre neben den Schuhen. Die Achterbahn ging weiter, aber sie wurde flacher. Ich muss ehrlich sagen, die Fernsehverfilmungen sichern mein Alter. Das ist Geld, das man mit Büchern nie verdienen kann, und es ist unverdient.

STANDARD: Den Abgrund haben Sie auch erlebt?

Komarek: Ja, ich habe es aber auch ganz gut durchgetaucht. Ich habe mir immer gesagt, es wird dir niemand den Kopf abschrauben, und verhungert ist in Österreich auch noch niemand. Man prallt hart auf, aber es geht irgendwie weiter. Da ist es ganz wichtig, dass man sich nicht verbiegt und sich nach einem Strohhalm umschaut, der dich wieder hinauszieht. In meinem Fall war es das Werbetexten. Dann gibt es immer wieder Glücksfälle, es kommt ein Buch ins Rennen, von dem man es nie beabsichtigt hat.

STANDARD: Und das kann man nicht absehen?

Komarek: Nein. Beim Sachbuch eher. Da weiß ich von 3.000 bis 6.000 Stammlesern, darunter verkaufe ich kaum. Aber alles, was darüber liegt, weiß der liebe Gott. Zum Beispiel bei Polt, da sagte der Verleger: Mir gefällt das Buch, ich verlege es gern, aber machen Sie sich keine Illusionen, mehr als 800 Stück verkaufen wir nicht. Da ist bei mir der Druckpreis abgedeckt, und Sie kriegen ein Taschengeld. Ich dachte mir das auch, es ist ein völlig unheldenhafter Mensch in einer Gegend, wo die Leute nichts reden. Wer soll denn das kaufen? Aber es hat mir große Freude gemacht und es war für mich eine Übung.

STANDARD: Mögen Sie Red Bull?

Komarek: Überhaupt nicht. Das schmeckt wie aufgelöste Gummibärchen. Nicht mein Fall. Ich mag aber die Firma, weil ich im Salzkammergut sehe, was die auf die Füße stellen.

STANDARD: Hatten Sie Kontakt mit Dietrich Mateschitz?

Komarek: Nur einmal, als er den Sender eingestellt hat. Da habe ich ihm einen Brief geschrieben, das soll er bitte nicht mehr machen.

STANDARD: Was hat er geantwortet?

Komarek: Nichts. Aber ich glaube, es hat ihm gefallen. (Doris Priesching, 2.4.2017)