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Die Bilder der toten Kinder in Syrien nach dem Giftgasanschlag haben die ganze Welt bewegt. Nun hat der für seine unberechenbare Art bekannte 45. Präsident der USA erneut die Welt verblüfft. Nur dieses Mal mit einer Intervention, die im Vergleich zum Mauerbau an der mexikanischen Grenze eher für Entzücken als für Entsetzen gesorgt hat.

Von Angela Merkel bis hin zu Recep Tayyip Erdoğan nahmen zahlreiche Staatschefs Donald Trumps Alleingang durchaus positiv auf. Einzig Russland reagierte brüskiert. In den Vereinigten Staaten von Amerika vermochte er sogar für einen Moment nahezu das ganze Land, von seiner Partei, den Republikanern, bis hin zu den Demokraten, positiv zu stimmen und als Präsident auf breite Akzeptanz zu stoßen. Wandelt sich nun Trump vom Saulus zum Paulus?

Ronald Reagan 4.0

Der durch Trump angeordnete Luftschlag der USA hat sowohl im Westen als auch auf russischer Seite eindeutig Eindruck hinterlassen. Ohne lang zu fackeln, ließ der als unberechenbar, impulsiv und instinktgesteuert geltende Trump einen US-Militärschlag durchführen, der seine psychologische Wirkung in der Welt nicht verfehlte.

Es ist dies jedoch auch eine Handlung, die im Hinblick auf die Beziehungen zu Russland und der generell äußerst aufgeladenen Lage im Nahen Osten mit hohen Risiken verbunden ist. Es bleibt offen, ob es sich um eine einmalige Drohgebärde handelt, wie es von russischer Seite eingeschätzt wird, oder ob sich Trump zu einer Art Reagan 4.0 und zu einem neuen kalten Krieger wandelt. Diese Entwicklung wird die Welt mit Spannung verfolgen. Fakt ist dennoch, dass der unmissverständliche Militärschlag dem US-Präsidenten große Zustimmung im eigenen nach der Wahl stark in Trump-Gegner und -Befürworter geteilten Land einbrachte.

Herz vor Hirn

Eines ist klar. Trump ist mit Politikern des herkömmlichen Formats nicht vergleichbar. Er stellt eindeutig einen neuen Politikertypus dar, der auch Frank Stronachs Performance in puncto Emotionalität blass aussehen lässt. Die schnelle und direkte Reaktion auf den Giftgasanschlag in Syrien, nach Eigenangaben auch motiviert durch die verheerenden Bilder von toten Kindern, war in diesem Fall für Freunde wie auch Kritiker Trumps nachvollziehbar – eine emotionale Reaktion auf einen Giftgasanschlag, der nicht tolerierbar ist. Gerade nicht für Trump, den Archetyp eines Sensitizers, der eher einmal mehr überreagiert, als gelassen die Hände in den Schoß zu legen und über die beste Lösung zu sinnieren.

In diesem Fall stellte der schnelle Angriff, basierend auf der Persönlichkeitsstruktur Trumps ein für breite Massen sozial äußerst erwünschtes und passendes Verhalten dar. Offen bleibt, ob es bei kommenden Aktionen Trumps auch zu internationaler Begeisterung kommt. Der laut Forbes-Ranking reichste Österreicher Dietrich Mateschitz sagte vor kurzem in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung", er glaube nicht, dass Trump so ein Idiot sei, wie manche ihn hinstellen würden.

Schwer zu berechnen

Ob man nun diese Einschätzung teilt oder nicht, wie die aktuelle Maßnahme in Syrien zeigt, ist und bleibt Trump mit seinem Wertesystem schwer zu berechnen. Möglicherweise war die Hysterie in Zusammenhang mit der Wahl Trumps auch etwas übertrieben. Das wird sich bei seinen nächsten Schritten und auch bei seinem Umgang mit dem russischen Präsident Wladimir Putin zeigen. Bleibt nur zu hoffen, dass im Wettkampf zweier Alphatiere nicht ein schwächerer Dritter, zum Beispiel die Menschen in Syrien, das Nachsehen hat. (Daniel Witzeling, 12.4.2017)