Wie beeinflusst Salz im Essen das Trinkverhalten? Zwei aktuelle Studien widerlegen gängige Thesen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Maya Kovacheva Photography

Wie Salz im Essen das Trinkverhalten beeinflusst, wurde nie in einer Langzeitstudie überprüft. Bekannt war bisher lediglich, dass mehr Salz in der Nahrung die Produktion von Urin stimuliert. Diese zusätzliche Flüssigkeit stammt aus Getränken – so die These.

Doch das widerlegte nun ein Forschungsteam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), der Vanderbilt University und weiteren internationalen Kolleginnen und Kollegen. Sie überprüften die alte Annahme während einer simulierten Marsmission, und stellen ihre Ergebnisse nun in der aktuellen Ausgabe des Journal of Clinical Investigation vor.

Simulierte Mission zum Mars

Salz hat natürlich nicht direkt etwas mit dem Mars zu tun. Der Zusammenhang entstehe durch die experimentellen Bedingungen: Als "Kosmonauten" auf einer simulierten Mission zum Mars bekamen Probanden mehr Salz zu essen. Durch die Simulation konnten die Forscherinnen und Forscher Ernährung, Wasser- und Salzaufnahme streng kontrollieren und messen.

Natalia Rakova und ihr Team von der Charité und dem MDC führte zwei unabhängige Studien an zehn männliche Freiwilligen durch. Die Probanden waren über einen Zeitraum von entweder 105 oder 205 Tagen in einer Raumschiff-Attrappe eingeschlossen. Alle Teilnehmer hatten absolut identische Speisepläne. Im Laufe der Wochen veränderte das Forschungsteam dann stufenweise den Salzgehalt in der Nahrung.

Wasserspar-Mechanismus

Das Experiment bestätigt: Kurzfristig verstärkt Salz den Durst. Mehr Salz im Essen führt auch zu einer höheren Salzkonzentration im Harn und einer höheren Gesamtmenge Urin – das war nicht überraschend. Doch die größere Menge Flüssigkeit stammte nicht aus Getränken. Die Probanden tranken sogar insgesamt weniger, wenn sie mehr Salz zu sich nahmen. Das Salz löste in den Nieren einen Wasserspar-Mechanismus aus.

Bisher galt, dass die Natrium- und Chlorid-Ionen, aus denen Salz besteht, an Wassermoleküle binden und diese in den Harn ziehen. Stattdessen zeigten die neuen Ergebnisse, dass das Salz im Harn bleibt, während das Wasser in die Niere und Körper zurücktransportiert wird. Das überraschte das Team um Jens Titze, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und am Vanderbilt University Medical Center. "Was könnte die Kraft sein, die das Wasser zurück in den Körper treibt", fragte er sich.

Versuche an Mäusen zeigten, dass die Substanz Harnstoff (Urea) daran beteiligt sein könnte. Mit Hilfe von Harnstoff entsorgen Muskeln und Leber Stickstoff. In der Niere der Mäuse sammelte sich Harnstoff, dort wirkte es der Wasser-bindenden Kraft von Natrium und Chlorid entgegen. Doch die Synthese von Harnstoff kostet viel Energie. Mäuse, denen salzigere Nahrung verabreicht wurde, hatten größeren Hunger, tranken aber nicht mehr. Auch die menschlichen "Kosmonauten", die salziges Essen bekamen, klagten über Hunger.

Wasserhomöostase und Energiestoffwechsel

Die neuen Erkenntnisse lassen die Rolle des Harnstoffs in neuem Licht erscheinen. "Harnstoff ist nicht nur ein Abfallprodukt, wie wir bisher angenommen hatten", sagt Friedrich C. Luft, von der Charité und dem MDC. "Stattdessen erweist er sich als ein sehr wichtiger Osmolyt – das ist eine Verbindung, die Wasser an sich bindet und so hilft, es zu transportieren. Harnstoff hält das Wasser im Körper, wenn wir Salz ausscheiden. So wird das Wasser zurückgehalten, das sonst durch das Salz in den Urin hineingetragen würde."

Die Wasserhomöostase, also das Gleichgewicht von Wasser im Körper, ist für eine Reise zum Mars mindestens so wichtig wie das Leben hier auf der Erde. "Wir müssen diesen Vorgang als eine gemeinsame Anstrengung der Leber, der Muskeln und der Nieren sehen", sagt Jens Titze. "In der Studie haben wir den Einfluss auf den Blutdruck und andere Aspekte des Herz-Kreislauf-Systems nicht direkt untersucht. Ihre Funktionen sind aber eng mit der Wasserhomöostase und dem Energiestoffwechsel verbunden." (idw, red, 18.4.2017)