Foto: Robert Newald

STANDARD: Vor wenigen Wochen vergab die Wiener Polizei den Preis für den besten Fernsehpolizisten – an "Trautmann", der seit neun Jahren nicht mehr ermittelt. Ist das ein stiller Protest gegen die österreichischen Fernsehkommissare?

Kramar: Trautmann war ihrem Herz und ihrem Bauch am nächsten, wie Schimanski. Es geht schon sehr darum, dass das ein "leiwander Typ" ist.

STANDARD: Dann hätte es auch Ihre Figur, der Polizeichef Rauter, sein können, der ist ja auch "leiwand".

Kramar: Ich fange ein bisschen den Moritz Eisner auf, indem ich ihn bestrafe und der Ungustl zu ihm sein kann. In Wirklichkeit bin ich eine Chuzpe.

STANDARD: Inwiefern?

Kramar: Indem man das Enfant terrible, das ich immer war, zum obersten Ordnungshüter macht. Das Ganze ist ein Schmäh.

STANDARD: Glauben Sie, dass alle den Schmäh verstehen?

Kramar: Ich weiß es, Harald Krassnitzer weiß es. Wir hatten immer einen Spaß damit, uns gegenseitig als "linkslinke Versager" runterzumachen. Krassnitzer mochte es sehr, mir in einer Folge eine Presse hinzulegen.

STANDARD: Adele Neuhauser sagt von sich, dass sie der "Tatort"-Dreh mitnimmt, weil die Fälle so erschütternd sind. Kennen Sie das von sich auch?

Kramar: Adele ist interessant, sie identifiziert sich mit der Rolle und ist gleichzeitig eine so gute Schauspielerin, dass sie Distanz halten kann. Ich freue mich, wenn ich ein gutes Drehbuch lese oder wenn mit guten Regisseuren zusammenarbeiten darf.

STANDARD: Und wenn es nicht so gut passt – tauchen Sie durch?

Kramar: Die nicht so guten Regisseure tun mir leid, weil sie es ja schwierig haben.

STANDARD: Sie ärgern sich nicht?

Kramar: Nein, für mich ist es ein Geschenk, man wird anständig behandelt, alle grüßen freundlich. Ich bin zwar für alle der "Hubsi" – der "Hubsi" werde ich mit 100 noch sein ...

STANDARD: Wollen Sie nicht mehr der "Hubsi" sein?

Kramar: Bei manchen Menschen finde ich es ein bissl – na ja. Umgekehrt ist es eine Ehre, dass sie mich als ihresgleichen behandeln, selbst wenn sie 30 sind und ich bin älter. Man soll die Dinge aber gar nicht so werten, das ist eine meiner Hauptaufgaben. In der Politik ist das klar, da muss man seine Meinung sagen. Zum Beispiel beim Außenminister über den "NGO-Wahnsinn". Das ist sein eigener Wahnsinn.

STANDARD: Zeit für eine Aktion?

Kramar: Ich bin seit 50 Jahren im Widerstand, und ist die Welt viel besser geworden? Nein. Trotzdem muss man Widerstand leisten – für sich selbst, und sein Leben lang, um nicht einzuschlafen.

STANDARD: Haben Sie sich ganz verabschiedet?

Kramar: Wenn mir etwas einfällt, mache ich es schon. Wenn Norbert Hofer angelobt worden wäre, hätte ich schon etwas gehabt.

STANDARD: Sagen Sie's?

Kramar: Nein, weil das rutscht in so eine Klischee-Richtung, und wer weiß, ob ich es nicht noch brauche. Weil mich hat ja die Staatspolizei lange überwacht.

STANDARD: Woher wissen Sie das?

Kramar: Das war für eine Aktion am Ulrichsberg, für die uns Hans Peter Haselsteiner einen Hubschrauber gegeben hätte. Wir wären mit Walkürenritt von Wagner dort hingeflogen, mich hätten sie am Seil hinunter und als Hitler über den Berg schweben lassen. Um das vorzubereiten, haben wir uns heimlich getroffen, Pseudonyme für Treffpunkte vereinbart. Die Polizei wusste alles und sperrte an dem Tag den Luftraum.

STANDARD: Gibt es Aktionen, die Sie aus heutiger Sicht bereuen?

Kramar: Nein. Wenn die Leute von mir sagen, du hast Mut, dann sage ich: Ich habe keinen Mut, es entspricht mir. Ich bin ein geistiger Triebtäter, wie alle Künstler.

Hubert Kramar: "Es gibt wenige Menschen, die am Faschisten in sich arbeiten, die selbst verschuldete Unmündigkeit begreifen."
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STANDARD: Wann hatten Sie mit dem größten Volkszorn zu tun?

Kramar: Die Geschichte mit F., weil das ans Eingemachte ging. Das Pornografische, wie die Denkweisen der Männer im Patriarchat den Frauen gegenüber geprägt waren, spielt eine viel stärkere Rolle im täglichen Leben. Der letzte Widerspruch bei Marx ist der zwischen Mann und Frau, und der wird gerade abgehandelt bei diesem anachronistisch unaufgeklärten Islam im Konflikt mit aufgeklärten Denkverhältnissen. Es geht nicht um Geld und Waffengeschäfte, sondern um die Macht über die Frau.

STANDARD: Und ist durch nichts zu ändern?

Kramar: Es gibt wenige Menschen, die am Faschisten in sich arbeiten, die selbst verschuldete Unmündigkeit begreifen.

STANDARD: Was kann man tun?

Kramar: Bei Gurdjieff gibt es die Idee von den fünf Ebenen: Körper, Emotion, Psyche, Vernunft und Sexualität. Daran muss ich arbeiten, trainieren, üben und mich fragen, ob mir das guttut, was ich tue. Jetzt ist meine Hündin meine Lehrerin, weil sie so liebt, wie ich nie werde lieben können. Das Zweite ist Dankbarkeit, denn da verlassen Sie den Egobereich. Ich bin dankbar, wenn Sie mich fragen. Es geht um das Geschenk, dass ich das tun darf und dabei am Leben bleiben kann. (Doris Priesching, 22.4.2017)