Von Grau bis Weiß: Mit dem Alter wird die Melaninproduktion zurückgeschraubt und die Haare verlieren ihre Farbe.

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Man steht vor dem Spiegel und entdeckt das allererste graue Haar – dann immer mehr. Manche nehmen es gelassen, andere verfallen in eine Art Schockzustand, denn graue Haare gelten als Symbol des Alterns. Das natürliche Ergrauen der Haare ist tatsächlich mit einem Alterungsprozess verbunden, der jedoch auch schon unerwartet früh einsetzen kann.

Wann genau, ist vor allem eine Frage der Gene. Die ersten grauen Strähnen lassen sich durchschnittlich in einem Alter von 30 bis 50 Jahren blicken, manche Menschen ergrauen allerdings auch bereits in ihren frühen 20ern. Bestimmte Erkrankungen und Medikamente können vorzeitig oder vorübergehend für graue Haare sorgen. Auch Faktoren wie Ernährung, UV-Licht und Stress dürften eine Rolle spielen.

Fehlender Farbstoff

Verantwortlich dafür, unseren Haaren Farbe zu verleihen, sind Melanine – Pigmente, die auch die Färbung der Haut und der Augen bewirken. Produziert werden Melanine von Zellen, die in der Kopfhaut an den Haarwurzeln sitzen, von den sogenannten Melanozyten. Eine Schlüsselrolle bei der Herstellung von Melaninen spielt das Enzym Tyrosinase.

Mit dem Alter entsteht jedoch zunehmend Wasserstoffperoxid, das die Tyrosinase angreift und durch Oxidation auch Reparaturmechanismen beeinträchtigt, bis die Melaninproduktion lahmgelegt wird. Diesen molekularen Prozess konnten Wissenschafter der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der University of Bradford in Großbritannien entschlüsseln und im Fachjournal "The Faseb Journal" veröffentlichen.

Wegen des Pigmentmangels kommt es vermehrt zur Einlagerung von Luftbläschen im Haarschaft, wodurch das Haar allmählich grau bis weiß erscheint – je nachdem wie viele farbige Haare noch vorhanden sind. Die Farbe Grau ist dabei allerdings nur eine optische Täuschung, die durch die Überlagerung pigmentierter und pigmentloser Haare, die weiß oder farblos sind, entsteht.

Mythos "Grau über Nacht"

Dass akute Stresssituationen die volle Haarpracht über Nacht ergrauen lassen können, ist ein weitverbreiteter Mythos, der immer wieder von Literatur und Film aufgegriffen wird. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichten dürfte sich allerdings in Grenzen halten, denn Pigmente, die einmal in den Haaren eingelagert wurden, verschwinden nicht einfach wieder. Da die Farbstoffe bereits in den Haarwurzeln eingebunden werden, können Haare lediglich grau nachwachsen, und das braucht Zeit.

Im Durchschnitt wachsen menschliche Kopfhaare pro Monat um einen Zentimeter. Allerdings nicht ewig lange: Nach einer zwischen drei und sieben Jahre andauernder Wachstumsphase, wird das einzelne Haar abgestoßen, und der Haarzyklus beginnt von neuem. Bis der gesamte Haarschopf grau ist, kann es also schon dauern. Die Haare im Bereich der Schläfen und die Barthaare bei Männern haben eine kürzere Lebensdauer, wodurch diese Stellen oft zuerst ergrauen.

Eine Erklärung für die Erzählungen über plötzliches Ergrauen könnte die Erkrankung Alopecia areata diffusa, der sogenannte kreisrunde Haarausfall, liefern. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die sehr rasch zum Haarausfall führt, allerdings nur selektiv: Während pigmentierte Haare verschwinden, bleiben die grauen zurück, was optisch als plötzliches Ergrauen wahrgenommen werden könnte. Wissenschaftlich belegt sind diese Theorien und deren vermutete Verbindung zu psychischen Traumata allerdings nicht.

Risikofaktor Färbemittel

Obwohl mittlerweile manche Leute den umgekehrten Weg gehen und dem Trend folgen, ihre Haare grau zu färben, empfinden viele den natürlichen Grauton als störend. Der Ausweg: Haare färben. Das kann allerdings nicht nur sehr aufwendig sein, sondern ist bei permanenten Haarfarben auch mit einem gewissen Gesundheitsrisiko verbunden.

Vor einigen Jahren glaubten Wissenschafter einen Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Verwendung von permanenten Haarfarben und einem erhöhten Risiko einer Blasenkrebserkrankung gefunden zu haben. Aktuellere Studien konnten diesen Zusammenhang allerdings wiederum nicht bestätigen.

Risikolos ist die Anwendung von permanenten Haarfärbemitteln dennoch nicht. In einem von der Umweltberatung und der Wiener Volkshochschulen herausgegebenen Infoblatt zum Thema "Haare färben" wurden unterschiedliche Testergebnisse der Zeitschrift "ÖkoTest" zu Inhaltsstoffen der Färbemitteln zusammengefasst: Alle 23 getesteten chemischen Färbemittel erhielten aufgrund ihrer problematischen Inhaltsstoffe die Beurteilung "ungenügend".

Nicht nur sind einige der enthaltenen Farbstoffe Allergene, wie zum Beispiel p-Toluylendiamin, p-Phenylendiamin (PPD) und Resorcin, es werden auch problematische Konservierungsmittel oder synthetische Moschusduftstoffe, die zum Beispiel leberschädigend sein könnten, eingesetzt. Außerdem steht Resorcin im Verdacht, hormonähnlich zu wirken, und wird bereits seit 2007 auf der EU-Prioritätenliste für solche Chemikalien in der Kategorie 1 geführt. Bei einer vermuteten Allergie im Zusammenhang mit der Verwendung von Haarfärbemitteln wäre es jedenfalls ratsam, einen Hautarzt zu kontaktieren. (Winnie Wendelin, 26.4.2017)