Le Pen: Selfies mit Arbeitern, während Macron die Gewerkschafter traf.

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Späte Einsicht: Macron sah sich gezwungen, doch noch die Arbeiter zu besuchen.

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Es war sein Heimspiel, doch Emmanuel Macron verlor es kläglich. In der nordfranzösischen Provinzstadt Amiens streiken die Arbeiter einer Fabrik, deren US-Besitzer Whirlpool die Produktion von Wäschetrocknern nach Polen verlegen will; durch die Werkschließung würden 286 Angestellte arbeitslos.

Da Macron selbst aus Amiens stammt, hatte er vor dem ersten Wahlgang versprochen, er werde die Whirlpool-Angestellten besuchen. Allerdings befürchtet der ehemalige Bankinvestor wohl zu Recht, mit Pfiffen und Buhrufen empfangen zu werden. Denn seitdem die Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande ihre Jobzusagen im Eisenrevier Lothringens gebrochen haben, sind die von der Entlassung bedrohten Arbeiter nicht gut auf Pariser Politiker zu sprechen. Bloß ist die Whirlpool-Fabrik – und mit ihr der Industriestandort Frankreich – mittlerweile in den Mittelpunkt des Präsidentschaftswahlkampfes gerückt. Macron vereinbarte deshalb ein Treffen mit Gewerkschaftsvertretern in der städtischen Handelskammer von Amiens.

Le Pens Coup

Am Mittwochmittag filmten ihn Fernsehsender gerade mit verkniffenem Gesicht, als der Theatercoup erfolgte: Im gleichen Moment traf Marine Le Pen überraschend vor den Fabriktoren außerhalb der Stadt ein. Und die sonst so wütenden Arbeiter bereiteten ihr einen durchaus positiven Empfang. Die in der Pariser Politik so verpönte Front-National-Kandidatin herzte Arbeiterinnen und stellte sich lachend den Selfies.

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Für Macron sind die Bilder verheerend: Sie erwecken den Eindruck, dass der Technokrat die Arbeiter meidet, während Le Pen auf sie zugeht. Letztere punktet darüber hinaus mit der Behauptung, der starke Euro sei am Wegzug der Arbeitsplätze schuld. Den Arbeitern versprach sie, den Whirlpool-Konzern mit einem Strafzoll von 35 Prozent zu belegen, wenn er von Polen aus Wäschetrockner nach Frankreich importieren wolle.

Ungehört verhallte dagegen Macrons Argument, nicht die EU sei schuld, wenn französische Firmen international nicht mehr wettbewerbsfähig seien; schuld seien vielmehr die hohen Unternehmensabgaben in Frankreich, die die Produkte übermäßig verteuerten, sowie die verlorene Qualität des "Made in France".

Später Besuch

Der parteilose Kandidat sah sich am Nachmittag gezwungen, selbst die Fabrikarbeiter aufzusuchen, um Le Pen das Feld nicht zu überlassen. Er wurde effektiv mit Pfiffen und Buhrufen empfangen. Immerhin schaffte er es, die Arbeiter etwas zu beruhigen und mit ihnen etwa eine Stunde lang zu diskutieren. Souverän wirkte das Ganze nicht.

Die "Affäre Whirlpool" ist nicht Macrons erster Rückschlag nach seinem Erfolg im ersten Präsidentschaftswahlgang vor Le Pen. Noch am Sonntagabend feierte er diesen Erfolg in einer Pariser Brasserie mit Champagner, als wäre er schon im Élysée-Palast. Das erinnerte viele Franzosen an eine Party Sarkozys 2007 im Nobelrestaurant Fouquet's – die erst nach dem zweiten Wahlgang stattfand, aber Sarkozys Popularität trotzdem stark lädierte.

Am Dienstag machte Macron alles nur noch schlimmer, als er sich uneinsichtig zeigte und wie ein kleiner Junge auf seinem Recht beharrte. Sogar Hollande, der klar zur Wahl Macrons aufgerufen hat, warnte den unerfahrenen Kandidaten: "Man muss äußerst seriös und mobilisiert bleiben. Die Wahl ist nicht gelaufen. Sie muss verdient und gewonnen werden."

Diese unüblich klare Zurechtweisung richtet sich einzig und allein an Macron, da es ja die andere Kandidatin Le Pen eben gerade zu verhindern gilt. In einer ersten Umfrage von Sonntagabend lag der Mittekandidat mit 62 Prozent noch klar vor der Nationalistin (38 Prozent). Macrons Kampagnenleiter warten nach den jüngsten Schnitzern bang auf die neusten Umfrageergebnisse. (Stefan Brändle aus Paris, 26.4.2017)