Honig für Heilzwecke: Taugt Bienennahrung auch zur Wundheilung?

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Verena Ahne bloggt für derStandard.at regelmäßig über das Ringen um gesicherte Erkenntnisse in Medizin und Gesundheitswesen.

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Seit Menschengedenken wird Honig für Heilzwecke genutzt. Manche Honigsorten zeigen im Reagenzglas eine gute Wirkung gegen diverse Keime. Das heißt aber noch nichts. Die Fähigkeit zum Heilmittel muss auch im echten Leben nachgewiesen werden – mit gut gemachten Studien an Menschen. Vor ein paar Wochen untersuchten wir bei Medizin transparent, ob die Bienennahrung auch zur Wundheilung taugt.

Bienennahrung gut bei Brandwunden

Dass ein Naturheilmittel der gestrengen Prüfung der evidenzbasierten Medizin standhält, kommt nicht so oft vor. Umso größer war meine Freude, dass den Bienen dieses Kunststück offenbar gelungen ist. Eine Zusammenfassung der bis 2014 erschienenen gut gemachten Studien zu Wundbehandlung mit Honig zeigt eindeutig, dass er die Heilung mittelschwerer Verbrennungen im Vergleich zu sonst üblichen Verbänden um vier bis fünf Tage verkürzen kann. Mittelschwer sind Verbrennungen zweiten Grades, bei denen die oberen Hautschichten betroffen sind.

Nicht jeder Honig geeignet

Welchen Honig ich auf meine Brandblasen träufeln kann, bleibt freilich offen. Dermatologinnen und Ärzte warnen in dem Zusammenhang gerne vor dem Glas am Küchentisch, da frischer Honig unter Umständen selbst potenziell gesundheitsgefährdende Keime enthalten könne. Postwendend wird dann auf die speziellen Honig-Medizinprodukte verwiesen, die seit ein paar Jahren auf dem Markt sind und für die der Honig eigens vorbehandelt wird.

Ob es die wirklich braucht, konnten wir aus den bisher vorliegenden Untersuchungen nicht beantworten. Sicher ist aber, dass die verschiedenen Honige nicht nur alle anders aussehen und unterschiedlich schmecken, sondern im Labor auch unterschiedlich wirksam sind, zum Beispiel gegen Bakterien. Ob sich also genau mein Frühstückshonig überhaupt zur Brandwundenlinderung eignen würde, ist nicht gesagt.

Was ist mit wunden Knien?

Wie sieht es nun mit anderen Wunden aus? Hilft es zum Beispiel, wenn ich meinem Kind Honig auf das blutig geschrammte Knie schmiere?

Leider geben die Studien zu frischen Wunden keine klare Antwort. Die erwähnte Übersichtsarbeit fand drei Studien, denen zufolge die Heilungsdauer mit Honig zwischen "drei Tage schneller" und "mehr als eine Woche länger (!)" liegt. Eine so große Schwankungsbreite heißt genau genommen: Es ist nicht klar, ob Honig bei frischen Wunden günstig ist.

Die Crux der kleinen Studien

Wie sind solche starken Abweichungen möglich? Unter anderem entstehen sie, weil die drei Arbeiten – wie übrigens auch viele andere Studien zu Honig – eine viel zu kleine Zahl von Leuten untersucht haben.

Wer sich ein bisschen mit Studienanalyse beschäftigt, weiß, dass die Ergebnisse sehr kleiner Studien kaum jemals aussagekräftig sind. Darauf weist zum Beispiel der amerikanische Gesundheitswissenschafter John P. A. Ioannidis immer wieder hin. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist, dass bei kleinen Fallzahlen häufig der Zufall Regie führt.

Würfelglück

Ich möchte das am Beispiel von "Mensch ärgere Dich nicht" erklären, das ich manchmal mit meinem Sohn spiele. Da gibt es Tage, an denen wirft er eine Sechs nach der anderen und fegt mich siegestrunken vom Tisch. Hat das etwas mit dem Kuscheltier zu tun, das neben ihm sitzt und, wie er beobachtet haben will, Würfelglück bringt? Natürlich nicht. Wie alle Menschen konstruiert auch mein Kind sofort Muster und logische Verbindungen aus einzelnen Details; ich hingegen weiß, dass seine vier Sechser bei fünf Würfen Zufall sind – außer die Würfel sind gezinkt, aber davon gehe ich bei meinem Sohn nicht aus – und dass es schon beim nächsten Spiel ganz anders aussehen kann. Je öfter wir spielen, umso gleichmäßiger werden sich die gewürfelten Augen, die Siege und Niederlagen auf uns beide verteilen.

Behandlungsglück?

So ist es auch mit Studien: Fünfmal Honig, viermal Heilung könnte auf eine sensationelle Wirksamkeit von Honig hindeuten, und wer die gerne beweisen möchte, sieht den "Zusammenhang" umso deutlicher. Aber wenn ich das nur an fünf Personen beobachtet habe, kann ich nicht wissen, ob ich nicht in eine zufällige Häufung einen Kuscheltier-Effekt hineininterpretiere.

Genauso möglich ist, dass die Ergebnisse in Studien mit nur wenigen Leuten wie die Sechser bei "Mensch ärgere Dich nicht" zustande kommen. Erst durch eine ausreichend große Zahl von Daten – mehrere gut gemachte Studien mit genügend Teilnehmerinnen, idealerweise über längere Zeiträume und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe – bringt hier (mehr) Gewissheit.

Für meine Honig-Einsätze bedeutet das: Verletzt im afrikanischen Busch ohne Verbandszeug im Gepäck würde ich mich aufgrund der bisherigen Erkenntnisse wahrscheinlich über einen Bienenstock freuen. Gut versorgt im Westen warte ich aber lieber auf neue, besser gemachte Studien, bevor ich mit Honig an offenen Wunden experimentieren. (Verena Ahne, 3.5.2017)