Mainz – Chronische Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn beruhen auf Fehlern der körpereigenen Immunabwehr. Die Folge sind oft schubartige auftretende Beschwerden wie Bauchschmerzen, -krämpfe oder Durchfall. Wo genau die entscheidenden Ursachen liegen, ist immer noch Gegenstand der Forschung. Wissenschafterinnen der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Helmholtz Zentrums München haben aufgedeckt, dass ein Übermaß des so genannten Onkogens Bcl-3 zu chronischen Darmerkrankungen führt. Wie genau dies das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringt, beschreiben sie im Fachjournal "Nature Communications".

Auslöser der Krankheit

"Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern konnten wir zeigen, dass das Protein Bcl-3, das auch bei verschiedenen Krebserkrankungen eine Rolle spielt, im Darm von Colitis-Patienten erhöht und tatsächlich ein Auslöser der Krankheit ist", sagt Nadine Hövelmeyer, Arbeitsgruppenleiterin am Mainzer Institut für Molekulare Medizin. Seine Wirkung auf die Darmgesundheit entfaltet Bcl-3 der Studie nach in den sogenannten regulatorischen T-Zellen (Tregs). Sie sind eigentlich dafür zuständig, überschießende Reaktionen des Immunsystems zu verhindern und eine Toleranz gegenüber dem eigenen Körper aufzubauen.

Genblockade im Blick

"Wir konnten zeigen, dass Bcl-3 die Aktivierung von Tregs unterbindet, indem es das Ablesen dafür notwendiger Gene verhindert", sagt Elke Glasmacher, Arbeitsgruppenleiterin am Münchner Institut für Diabetes und Adipositas und Wissenschaftlerin im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). "Denn Bcl-3 interagiert mit dem Transkriptionsfaktor p50, der für die Aktivierung zuständig wäre, und blockiert ihn."

In der Folge bleiben die regulatorischen T-Zellen passiv, das Immunsystem wird nicht mehr reguliert und die Entzündungsprozesse kommen in Gang. "Im Modellversuch hatte sich gezeigt, dass bei erhöhten Mengen an Bcl-3 bestimmte Zellen in den Darm einwandern und dort starke Entzündungen auslösen", so die Erst-Autorin der Publikation Sonja Reissig, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätsmedizin Mainz.

Angriffspunkte für Therapien

"Die Ergebnisse tragen wesentlich zu unserem Verständnis von chronischen Darmentzündungen bei und sollen langfristig neue Angriffspunkte für Therapien aufdecken", sagt Hövelmeyer. Ihr Kollege Ari Waisman, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz, ergänzt: "Aktuell befassen wir uns mit der Suche nach neuen Wirkstoffen, die die Interaktion zwischen Bcl-3 und p50 verhindern und so die normale Treg-Funktion erhalten." (red, idw, 2.5.2017)