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Nicolas Dupont-Aignan, ehemals souveränistischer Präsidentschaftskandidat (li.), unterstützt nun Marine Le Pen (re.). Als Dankeschön will sie ihn zum Premier machen, sollte sie siegen.

Foto: Reuters/Platiau

Wenn nicht eine Kehrtwende, dann ist es zumindest ein Kurswechsel: Marine Le Pen will den Euro nicht mehr in jedem Fall aufgeben. "Der Übergang von der Einheitswährung zu einer gemeinsamen europäischen Währung ist keine Vorbedingung mehr für die Wirtschaftspolitik", halten sie und ihr neuer Bündnispartner, Nicolas Dupont-Aignan, schriftlich fest. Ihr "Regierungsprogramm" nimmt die von Le Pen bereits früher geäußerte Idee auf, den Euro nicht vollumfänglich durch den "neuen" Franc zu ersetzen: Für den Wirtschaftsaustausch zwischen Großfirmen soll weiter eine gemeinsame Zahlungseinheit – wie früher der Ecu – benützt werden. Der Franc gälte hingegen im Privatverkehr, also etwa im Supermarkt oder bei der Sozialhilfe.

Neu ist, dass Le Pen mit dem Euro zumindest eine – unbestimmte – Zeit leben könnte, falls sie am kommenden Sonntag zur Präsidentin gewählt würde. Letzteres scheint zwar unwahrscheinlich, da die Umfrageinstitute immer noch den Parteilosen Emmanuel Macron mit 59 Prozent vorn sehen. Doch der Abstand zu Le Pen schwindet, und die Finanzmärkte weltweit sorgen sich um die Europapolitik Frankreichs.

"Keine Vorbedingung mehr"

Dass der Euroausstieg für sie "keine Vorbedingung mehr" ist, machte Le Pen auch mündlich klar: "Viele Wirtschaftsmaßnahmen können unabhängig von der Währung ergriffen werden." Sie wolle zwar nach wie vor in den sechs Monaten nach ihrer Wahl mit Brüssel über die Rückgabe nationaler Souveränitäten verhandeln. "Wenn das aber acht oder zehn Monate dauert, wäre es nicht schlimm. Es wird eine lange Debatte von mehreren Monaten, vielleicht mehreren Jahren."

Diese Zeitangaben sind deshalb wichtig, weil Le Pen bisher eine Euro-Volksabstimmung binnen sechs Monaten nach ihrer Wahl versprochen hatte. Ihre Nichte Marion Maréchal-Len Pen präzisierte am Montag, dass die Front-National-Bewerberin womöglich sogar die Wahl in Italien im Jahr 2018 abwarten wolle – wo sie auf den Wahlsieg der Eurogegner um Beppe Grillo hoffe.

All diese Aussagen lassen den versprochenen Euro- oder gar EU-Austritt Frankreichs plötzlich als sehr unsicher erscheinen. FN-Vize Florian Philippot gibt sich zwar überzeugt, dass "die Franzosen ihr Baguette schon in einem Jahr in neuen Francs zahlen" würden. Parteiintern scheint er sich aber in dieser Frage kaum mehr durchsetzen zu können.

Verwässertes Versprechen

Le Pen will ihrer Wählerschaft zweifellos signalisieren, dass ihre Wahl nicht an die Euro-Frage gekoppelt sei. Damit nimmt sie in Kauf, ihr zentrales Wahlversprechen zu verwässern. Die Pariser Zeitung "Le Monde" kommentiert, die rechte Kandidatin versuche damit wohl, die harten Eurogegner wie auch die unschlüssigen Wähler bei der Stange zu halten. Der Leitartikler der "Libération", Laurent Joffrin, glaubt eher, dass Le Pen unfreiwillig zurückgekrebst sei – nämlich aus der Einsicht, dass der Euroausstieg sie den Sieg kosten könnte.

In der Tat waren laut einer Umfrage 2016 nur 28 Prozent für den Euro-Austritt. Namhafte Ökonomen von rechts bis links sind sich zudem einig, dass Le Pens Wähler – Rentner, Arbeiter und Arbeitslose – wohl am meisten leiden würden, wenn die Währungsabwertung zu einer Verteuerung der Importe und der Schmälerung der Ersparnisse führen würde.

Viele Franzosen kommen langsam zum Schluss, dass Le Pen selbst nicht mehr wisse, was sie wolle. Ihr Hauptversprechen eines Euroausstiegs erweist sich mehr denn je als ihr Schwachpunkt. Sich dessen bewusst, hatte Le Pen das Thema in den vergangenen Wochen geflissentlich vermieden. Ihre Koalition mit Dupont-Aignan lanciert die Eurofrage nun aber neu, und das zu einem für sie denkbar ungünstigen Zeitpunkt. (Stefan Brändle aus Paris, 2.5.2017)