Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Ablaufdatum. Das ist vielen Konsumenten nicht klar.

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Wien – Vom Kühlschrank bis zum Mistkübel ist es in modernen Haushalten nicht weit. Einen Weg, den viele Lebensmittel nehmen, wie Greenpeace beklagt. Und das, obwohl sie weit von der Ungenießbarkeit entfernt sind.

Jährlich landen laut der NGO hierzulande rund 280.000 Tonnen an Brot, Gemüse, Nudeln und Co in den Haushalten im Müll, statt am Teller. Den Grund für diese Verschwendung sieht man bei Greenpeace im Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), im Volksmund auch Ablaufdatum genannt. So wird es oft auch verstanden: Für Konsumenten sind die auf Joghurtdeckeln oder Nudelpackungen gedruckten Daten vielfach eine rote Linie, was den möglichen Verzehr des Inhalts betrifft.

Das dem nicht so ist, wissen all jene Konsumenten, die neben dem MHD noch ihre Sinnesorgane zuhilfe nehmen und am Yoghurt riechen und schmecken, ehe es im Abfall landet. Dass die Daten eher Orientierungshilfe, denn unumstößliche Richtlinie sind, zeigt auch ein aktueller Langzeittest von Greenpeace. Viele MHD-Angaben seien offensichtlich völlig unrealistisch, so die Tester. Drei von acht geprüften Produkten – nämlich Joghurt, Soja-Joghurt und Tofu – waren auch zwölf Wochen nach Überschreitung einwandfrei genießbar. Auch die getesteten Eier hielten mehr als zehn Wochen länger.

Viele Gründe

Für Gudrun Obersteiner vom Institut für Abfallwirtschaft an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien nicht überraschend. Dort beschäftigt man sich seit fast zwanzig Jahren mit dem Thema "viel Nahrung nur für den Mistkübel". Im Schnitt werden in jedem österreichischen Haushalt jährlich Lebensmittel im Wert von rund 263 Euro weggeworfen fand die Boku heraus.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Mangelder Überblick in den Haushalten, fehlende Kompetenz bei den Konsumenten, aber auch die Tatsache, dass im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten nur noch rund zwölf Prozent der Haushaltsausgaben für Lebensmittel aufzuwenden sind, gehören dazu.

Abfülldatum

Aber auch das MHD trage sein Scherflein bei, sagt Obersteiner. Wie Greenpeace-Experte Herwig Schuster fände auch sie ein Abfülldatum sinnvoller. Das es zu einer solchen gesetzlichen Vorgabe auf EU-Ebene kommt, hält sie aber für unrealistisch. Zuviele verschiedene Vorstellungen, Umweltschützer versus Hygieniker, würden hier aufeinander treffen An der Bewusstseinsbildung der Konsumenten führt ihrer Ansicht nach ohnehin kein Weg vorbei. "Da hat sich viel verbessert. Gastronomie und Handel spielen mit. Bei den Konsumenten wird uns das auch noch gelingen."

Greenpeace nimmt aber auch den Gesetzgeber in die Pflicht. Einerseits sollte auf EU-Ebene die Ausnahmeliste erweitert werden. Zu Salz, Zucker, Obst könnten Nudeln und Reis dazugekommen werden, sagt Schuster. Das wird auch diskutiert, lange schon und immer wieder. Aber auch in Österreich, so findet Schuster, könne etwa das Gesundheitsministerium die Hersteller zusammentrommeln, um eine freiwillige Verpflichtung zu realistischeren Angaben zu erreichen. (Regina Bruckner, 5.5.2017)