Kiffen im Altersheim für ein leistungsfähiges Gehirn? Zumindest im Mäuseversuch scheint der Ansatz in der Praxis zu funktionieren.

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Bonn/Wien – Trotz aller Gefahren, vor denen vor allem Psychiater, Drogenexperten und Politiker warnen, sehen viele Mediziner in Cannabis ein regelrechtes Wundermittel. Tatsächlich hat sich Tetrahydrocannabinol (THC), die wichtigste psychoaktive Substanz der Hanfpflanze, in den vergangenen Jahrzehnten im klinischen Einsatz als Allroundtalent erwiesen: Depressionen werden damit ebenso erfolgreich behandelt wie die Folgen von Krebserkrankungen oder multipler Sklerose.

Welche konkreten Auswirkungen der langfristige Konsum dieser "weichen" Droge auf das Gehirn hat, ist dagegen noch immer weitgehend unklar. Bisherige Studien konnten jedenfalls kein einheitliches Bild zeichnen.

Zumindest bei betagten Mäusen scheint sich der Wirkstoff jedenfalls positiv auf die kognitiven Funktionen auszuwirken, wie eine Gruppe deutscher Forscher nun nachweisen konnte. Die Neurowissenschafter um Andreas Zimmer von der Universität Bonn berichten im Fachjournal "Nature Medicine", dass THC in geringer Dosis und über einen längeren Zeitraum verabreicht der altersbedingt nachlassenden Gehirnleistung entgegenwirkt.

Verjüngtes Gedächtnis

Seit rund 15 Jahren untersuchen die Bonner Wissenschafter das Cannabisrezeptorsystem von Mäusen. Die bisherigen Resultate deuten darauf hin, dass das Endocannabinoidsystem mit so gut wie allen Alterungsprozessen in Zusammenhang steht: Mit steigendem Alter reduzierte sich die Aktivität des Systems, was letztlich von den entsprechenden Symptomen begleitet war, darunter Muskelabbau, Osteoporose, Haut- und Fellveränderungen und abnehmende kognitive Leistungen.

Auf Basis dieser Ergebnisse stellten sich die Wissenschafter natürlich die Frage, ob sich die entdeckte Verbindung auch therapeutisch nutzen ließe, indem man den greisen Versuchstieren zusätzliches THC zuführt. Der Effekt war überraschend eindeutig, wie die Experimente zeigten. "Plötzlich verhalten sich die alten Tiere wie die jungen. Wir können ein Tier, das eineinhalb Jahre alt ist, nicht mehr von einer jungen Maus unterscheiden", meint Zimmer. Die beobachteten Lern- und Gedächtnisleistungen waren demnach viel besser als jene von alten Tieren ohne THC-Genuss.

Cannabis im Altersheim

Ob sich dieser Ansatz auf den Menschen übertragen lässt, soll eine noch für dieses Jahr geplante Studie klären helfen. Insbesondere wollen Zimmer und sein Team herausfinden, ob THC den Zustand von älteren Menschen mit beginnendem Alzheimer oder einer milden Altersdemenz verbessern kann. Dass dem tatsächlich so sein könnte, darauf weisen Erfahrungen aus Israel hin: Nach einem Test in einem Altersheim, der sehr vielversprechende Resultate brachte, wird in Israel nun der Einsatz von Cannabis für geriatrische Patienten geprüft. (Thomas Bergmayr, 8.5.2017)