Die milden Temperaturen und der immer wieder einsetzende Regen lassen den Hausmüll in Rom verrotten und bestialisch stinken.

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Seit Tagen wird in der Ewigen Stadt der Müll nur noch sporadisch oder gar nicht mehr weggeführt. Das logische Resultat: In fast allen Stadtvierteln außer dem touristischen Zentrum quellen die Abfallcontainer über. Müllsäcke und anderer Unrat liegen in mehreren Metern Umkreis verteilt auf Gehsteigen und Straßen. Die milden Temperaturen, kombiniert mit vereinzelten Regenschauern, lassen den Unrat rasch verrotten und sorgen für bestialischen Gestank. Vereinzelt sind Müllhaufen auch schon von aufgebrachten Anwohnern angezündet worden.

Der völlige Kollaps des Systems wird durch ein weiteres, makabres Detail unterstrichen: Vor einer Woche haben auch die städtischen Bestattungshäuser ihre Dienste eingestellt. Zumindest in diesem Bereich existieren genügend Privatunternehmen, die einspringen können.

Züge nach Zwentendorf

Die unmittelbare Ursache für die Krise bei der Entsorgung des Haushaltsmülls ist die Schließung von zwei Müllverarbeitungsanlagen durch die Anti-Mafia-Behörde. In diesen Anlagen wurde ein Teil des Römer Mülls geschreddert und in sogenannte "Öko-Ballen" verpackt. Sie dienen in Müllverbrennungsanlagen als Brennstoff – allerdings nicht in Rom, denn hier gibt es keine einzige Verbrennungsanlage. Neben einigen Öfen in Norditalien übernimmt auch die Verbrennungsanlage im österreichischen Zwentendorf den Römer Müll – rund 70.000 Tonnen pro Jahr.

Die Drei-Millionen-Stadt, in der täglich 2.700 Tonnen Hausmüll produziert werden, hatte ihren Dreck jahrzehntelang auf die Deponie von Malagrotta am Stadtrand gekarrt – es war die größte offene Deponie Europas. Der frühere linke Bürgermeister Ignazio Marino hatte den "achten Hügel Roms", wie die Deponie im Volksmund genannt wurde, 2015 geschlossen. Das war verdienstvoll, weil Malagrotta nach EU-Recht illegal war. Andererseits hatte Marino nicht für eine alternative Müllentsorgung gesorgt.

Sonderkommissar angedroht

Die neue Bürgermeisterin Virginia Raggi aus Beppe Grillos Protestbewegung M5S hat die Misere zwar von ihrem Vorgänger geerbt, in den zehn Monaten seit ihrer Wahl hat sie die Probleme aber nicht beseitigt: Verbrennungsanlagen sind in den Augen der "Grillini" Teufelswerk und kommen deshalb als Lösung genauso wenig infrage wie der Bau neuer Deponien. Das erklärte Ziel besteht in der hundertprozentigen Mülltrennung und Wiederverwertung. Bis 2021 soll der Anteil des wiederverwerteten Mülls von 40 auf 70 Prozent steigen.

Angesichts des sich in den Quartieren ausbreitenden Abfalls ist dem Präsidenten der Hauptstadtregion Latium, Nicola Zingaretti, der Kragen geplatzt: "Der Notstand muss nicht 2021 oder 2022 beendet werden, sondern in 21 bis 22 Tagen", erklärte Zingaretti. Sonst werde in Rom ein Sonderkommissar die Müllentsorgung übernehmen.

Solche sind jedoch nicht in Sicht. Stattdessen hat Raggi angekündigt, die Zahl der Müllzüge nach Zwentendorf zu erhöhen. Außerdem erwägt die Stadtregierung, einen Teil des Mülls nach Portugal zu verschiffen. Aber auch der angedrohte Sonderkommissar muss wohl warten: Für seine Einsetzung wäre die von Matteo Renzis Parteifreund Paolo Gentiloni geführte Mitte-links-Regierung zuständig – und Renzi benutzt die Müllmisere bereits für den Wahlkampf. (Dominik Straub aus Rom, 10.5.2017)