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Begierde trifft auf personifizierte Distanz: Chris (Kathryn Hahn) verknallt sich in Dick (Kevin Bacon). Der Streamingdienst Amazon formte aus Chris Kraus' Kultbuch "I Love Dick" eine Serie.

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Nach "Transparent" schüttelt Regisseurin Jill Soloway in "I Love Dick" wieder Identitäten durch.

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Lonely Cowboy: Kevin Bacon.

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Wien – Wenn Dick (Kevin Bacon) mit nacktem Oberkörper den Bauch eines Lamms schert, dann sind Chris' (Kathryn Hahn) schmutzige Gedanken nicht weit. Mit surrealen Szenen wie dieser inszeniert Regisseurin Jill Soloway (Transparent) eine Obsession, die sich im Schreiben von Briefen manifestiert: "Lieber Dick, ich bin geil, seit ich sechs Jahre alt bin."

Die Serie I Love Dick, seit Freitag bei Amazon Prime Video und ab 9. Juni auch auf Deutsch, ist eine Adaption des gleichnamigen, semiautobiografischen Romans von Chris Kraus. Die US-Autorin dokumentiert darin ihre emotionalen und sexuellen Begierden, die in einem Selbstfindungsparcours aus ihrer eintönigen Ehe führen und zu einem persönlichen Befreiungsschlag werden.

Adressat ihrer Briefe ist Dick, ein Universitätskollege ihres Mannes Sylvère (in der Serie von Griffin Dunne gespielt). Regisseurin Jill Soloway und Drehbuchautorin Sarah Gubbins verlegen die Szenerie von New York in die Wüstenstadt Marfa in Texas. Sie ist Anziehungspunkt für Künstler und Intellektuelle, zur Begrüßung schleudert man sich aber trotzdem noch ein "Howdy" entgegen.

Die erfolglose Filmemacherin Chris, großartig gespielt von Kathryn Hahn, landet dort als Anhängsel ihres Mannes. Sie verliebt sich in den Leuchtturm der Community: Dick, der Maler und Bildhauer mit der dünnen Haut und der dicken Hose. Ihre Briefe an ihn sind Stimulus für ein ausgeklügeltes Dreiecksspiel, bei dem neben dem Trio noch Nebendarstellerinnen wie Roberta Colindrez und India Menuez glänzen.

Kevin Bacon.
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STANDARD: Frauen und Männer feiern Chris Kraus für "I Love Dick". Es gilt als feministisches Kultbuch. Wie hat es Ihnen gefallen?

Bacon: Ich mochte es sehr. Am faszinierendsten fand ich das Dreieck, um das es auch in der Serie geht. Die Beziehung zwischen Chris und Sylvère und ihre Obsession für Dick. Das Schreiben ihrer Briefe an Dick ist eine Art Kunstprojekt, in dem verrückte Gelüste zum Ausdruck kommen.

STANDARD: Wann haben Sie das Buch gelesen?

Bacon: Als ich den Job hatte und bevor die Dreharbeiten losgingen. Wir wollten die Figuren nicht nur auf der Grundlage des Buches entwickeln. Mit Donald Judd hatten wir ein reales Vorbild, einen amerikanischen Maler und Bildhauer. Als Kind fuhr er durch die Kleinstadt Marfa in Texas. Das war so prägend, dass er später, als bereits erfolgreicher Künstler, zurückkehrte, um sich dort mit seinen Skulpturen weiter zu verwirklichen und einen Museumskomplex zu gründen. So wurde Marfa mitten im Niemandsland zu einer Oase und Community für Kunst und Künstler. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Platz.

STANDARD: Unterscheidet sich die Serie sehr vom Buch?

Bacon: Dick ist jetzt ein Künstler und Cowboy. In der Serie erfahren wir viel mehr über ihn. Im Buch wirkt er mehr als Figur, weit weg und distanziert und mehr ein Poster als eine reale Person.

STANDARD: Konnten Sie den Charakter selbst entwickeln?

Bacon: Ja, ich habe ihn zwar nicht geschrieben, hatte aber einen wichtigen Part, um die Figur zu modellieren. Ich habe mit den Autorinnen darüber geredet, welche Charakterzüge er annehmen könnte und was mich als Mann interessiert, mit welchen Problemen er konfrontiert sein könnte.

STANDARD: Dick wirkt arrogant und egoistisch.

Bacon: So wirkt er anfangs. Im Laufe der Serie stellt sich immer mehr heraus, dass das ein Typ ist, der sehr mit sich selbst zu kämpfen hat. Er hat seit sieben Jahren nichts mehr geschaffen und stellt seinen Wert als Künstler infrage. In der Community gilt er aber immer noch als Ikone, andere Künstler bewundern ihn und hängen an seinen Lippen. Er denkt sich nicht selten, ob das noch einen realen Bezug hat, ob er das verdient. Das ist die eine Seite, die andere ist, dass seine Frau gestorben ist und er sich entscheidet, Beziehungen und der Liebe aus dem Weg zu gehen, um auf seiner Ranch ein einsames, eigenbrötlerisches Dasein zu führen. An diesem Punkt kommen Chris und ihr Mann ins Spiel, um alles auf den Kopf zu stellen.

STANDARD: In der Serie "The Following" spielen Sie einen guten Kerl, Dick ist eher ein Ungustl. Welche Rolle bevorzugen Sie?

Bacon: Das kann ich nicht so einfach sagen. In beiden Fällen suche ich die Schattenseite der Figur. In The Following bin ich der Hero, möchte aber die Konfusion und die dunkle Seite des Kerls zeigen. Eines Typen, der Fehler hat und Fehler macht. Dick wirkt aufgeblasen und herablassend. Meine Aufgabe ist es, die Menschlichkeit ins Spiel zu bringen, da er für sich eine harte Schale aufgebaut hat, unter der sich aber Sensibilität und Verletzlichkeit verbergen.

STANDARD: Fällt Ihnen so ein Rollenwechsel schwer?

Bacon: Wenn Sie simultan zwei Rollen spielen, dann ja. Habe ich etwas Zeit, um mich vorzubereiten, dann fällt es mir nicht schwer und ich sage Good Bye zum letzten Kerl und im Falle einer neuen Staffel: Bis bald, mein Freund. Es ist nicht so, dass mich diese Rolle dann weiter verfolgt. (Oliver Mark, 13.5.2017)

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