Chicago – Wirklich hygienisch ist ein Krankenhaus nur so lange, bis die ersten Menschen darin auftauchen: Das ist kurz gesagt der Befund einer aktuellen US-Studie, die im Fachblatt "Science Translational Medicine" erschienen ist.

Hintergrund der Studie ist der Umstand, dass jedes Jahr sogenannte Krankenhauskeime weltweit Millionen Menschen infizieren – teilweise mit tödlichen Folgen. Um Wege zu finden, gefährliche Keime einzudämmen, ist es nützlich, sich anzuschauen, wie die krankenhaustypische Bakterienflora zustande kommt und sich entwickelt.

Ende der Sterilität

Dafür bot sich einem Team um Jack Gilbert, Direktor des Mikrobiom-Zentrums an der Universität von Chicago, kürzlich eine seltene Gelegenheit: Die Universität eröffnete 2013 ein neues "Center for Care and Discovery". Dort fanden die Forscher ideale Bedingungen für ihre Arbeit vor: Sie konnten schon zwei Monate vor Aufnahme des Spitalbetriebs mit ihren Untersuchungen beginnen.

Das Team nahm über einen Zeitraum von zwölf Monaten immer wieder Proben in dem neu eröffneten Spital. Insgesamt waren es mehr als 10.000 Proben – aus zehn Patientenzimmern, einer Pflegestation für Krebskranke und einer für Patienten der Chirurgie.

Die Biologen und Mediziner machten Abstriche von den Händen, aus der Nase sowie den Achseln der Patienten ebenso wie von den Oberflächen, welche sie wahrscheinlich berührt hatten – dazu gehören die Bettgitter und die Armaturen in den Bädern. Hinzu kamen Proben vom Boden der Zimmer und den Luftfiltern. Auch das Pflegepersonal wurde gründlich untersucht.

Jeder Patient bringt sein Mikrobiom ins Spiel

Es wurde zu einer Studie der Kolonisierung in kurzer Zeit: Vor der Eröffnung wurde noch eine relativ geringe Vielfalt an Bakterien gefunden. Schon unmittelbar nach Beginn des Spitalalltags breiteten sich jedoch Mikroben wie Corynebakterien, Staphylokokken und Streptokokken aus. In den wärmeren Monaten verstärkte sich die Ausbreitung noch.

Weiters konnte dokumentiert werden, wie die Aufnahme jedes neuen Patienten die Zusammensetzung der Bakterien in seinem Zimmer veränderte. "Innerhalb von 24 Stunden übernahm das Mikrobiom des Patienten den Krankenhausraum", sagte Gilbert. Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet, die einen großen Organismus wie den Menschen besiedeln.

Die Forscher nahmen überdies 92 Patienten genauer unter die Lupe, die über längere Zeit in dem Krankenhaus waren. Bei ihnen wurden potenziell schädliche Bakterien wie Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis gefunden, die mit der Zeit Gene entwickelten, welche Resistenzen gegen Antibiotika fördern und Infektionen begünstigen können. Vor allem Staphylococcus aureus ist in seiner multiresistenten Form als Krankenhauskeim MRSA bekannt und gefürchtet: Während er für gesunde Menschen ungefährlich ist, ist er für etwa 30 Prozent aller Krankenhausinfektionen verantwortlich. (APA, red, 25. 5. 2017)