Nicht zuletzt aufgrund von zwei Fällen in der Slowakei hoffen die Zinshausbesitzer jetzt auf den EGMR.

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Die Verfassungsbeschwerde gegen den Wiener Richtwert, der der zweitniedrigste aller neun Bundesländer ist, und das Lagezuschlagsverbot im Gründerzeitviertel wurden im vergangenen Oktober – wie berichtet – vom VfGH zurückgewiesen.

Der Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser will aber nicht aufgeben: Obmann Kaspar Erath, Zinshausbesitzer in Wien, hat einerseits die wegen Formalfehlern abgewiesene Beschwerde nochmals neu eingebracht. Andererseits zog der Verein nun auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg – mit einem ganz konkreten Fall: Mieter einer 64-m²-Wohnung im 15. Bezirk hatten rund 650 Euro pro Monat an Hauptmiete gezahlt und bei der Schlichtungsstelle eine Rückzahlung von mehr als der Hälfte der bezahlten Miete erwirkt – mit der Begründung vonseiten der Schlichtungsstelle, dass es sich um ein Gründerzeitviertel handle und überdies der 25-prozentige Befristungsabschlag nicht zur Anwendung gekommen sei. Dieses Verfahren, gegen das der Vermieter Rekurs am Landesgericht für Zivilrechtssachen erhob, war auch Teil der VfGH-Beschwerde.

Berühmter "Fall Mellacher"

Vor dem EGMR pocht man nun u. a. auf den im ersten Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genannten "Schutz des Eigentums"; der pauschale Befristungsabschlag von 25 Prozent (anstelle eines nach Zeitraum gestaffelten, wie es ihn bis 2000 gegeben hat) und das Lagezuschlagsverbot im Gründerzeitviertel seien "unverhältnismäßige Eingriffe in das Eigentum" der Zinshausbesitzer, wird argumentiert.

Eine ähnliche Klage in Straßburg gab es aus Österreich schon einmal, und zwar den mittlerweile in Fachkreisen berühmten "Fall Mellacher" aus den 1980er-Jahren. Damals wehrten sich Zinshausbesitzer dagegen, dass ein Mietzins, der wesentlich über dem 1982 neu eingeführten Kategoriemietensystem lag, auf 150 Prozent der zulässigen neuen Mietzinsobergrenze reduziert werden konnte. Das Gericht wies die Klage ab.

Zwei Fälle aus der Slowakei

Die heutzutage völlig neue Rechtslage (das Richtwertsystem wurde 1994 eingeführt) sowie jüngste Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu zwei Fällen aus der Slowakei lassen die Beschwerdeführer aber nun hoffen, dass der EGMR in ihrem Sinne entscheidet.

Beim Fall "Meciar u. a. gegen die Slowakei" hatten sich insgesamt 23 Zinshausbesitzer aus Bratislava und Kosice gegen geltende Mietrechtsbeschränkungen gewehrt. Der EGMR entschied erst im vergangenen Jänner zu ihren Gunsten: Der slowakische Staat habe keinen fairen Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen und jenen der privaten Hausbesitzer geschaffen, so das Gericht. Das Verfahren dauerte acht Jahre. Mit dem Fall "Mellacher u. a. gegen Österreich" war der EGMR damals auch immerhin sechs Jahre lang beschäftigt.

Anfrage im Parlament

Nur zwei Monate hat das österreichische Justizministerium Zeit, um eine jüngst eingebrachte Anfrage der Neos zu beantworten. Sie hinterfragen darin sehr detailliert die Abläufe und Berechnungsverfahren, die Anfang der 1990er-Jahre zur konkreten Festlegung der Richtwerte führten: "Wie wurden die Durchschnittswerte der Baukosten im Sinne des § 3 (4) RichtWG festgestellt?", lautet eine der elf Fragen. (mapu, 26.5.2017)