Am vergangenen Donnerstag kehrte Mark Zuckerberg an die Universität Harvard zurück, erhielt die Ehrendoktorwürde und appellierte in seiner Abschlussrede an den Jahrgang von 2017, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen: "Jede Generation erweitert ihre Definition von Gleichheit. Frühere Generationen kämpften für das Wahlrecht und Bürgerrechte. Sie hatten den New Deal und die Great Society. Jetzt ist es an uns, einen neuen Gesellschaftsvertrag für unsere Generation festzulegen. Wir sollten eine Gesellschaft haben, die Fortschritt nicht nur mit ökonomischen Kennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt misst, sondern darüber, wie viele von uns eine Aufgabe haben, die für uns sinnstiftend ist. Wir sollten Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen erforschen, weil es jedem einen Polster gibt, um neue Dinge auszuprobieren. [...] Und ja, jedem die Freiheit zu geben, seine Ziele zu verfolgen, ist nicht gratis. Menschen wie ich sollten dafür bezahlen. Vielen von euch wird es gut gehen und ihr solltet das auch tun."

Der Facebook-Chef ist nicht der erste CEO aus dem Silicon Valley, der sich für das bedingungslose Grundeinkommen stark macht: Tesla- und SpaceX-Visionär Elon Musk, Sam Altman von Y-Combinator und Chris Hughes, der gemeinsam mit Zuckerberg Facebook gegründet hat, unterstützen die Idee schon seit einiger Zeit öffentlichkeitswirksam. Dustin Moskovitz, ein weiterer der vier Facebook-Gründer, ist mit seiner Stiftung Good Ventures der wichtigste Geldgeber von GiveDirectly, einer Nonprofit-Organisation, die vor kurzem das größte Grundeinkommensexperiment der Geschichte in Kenia gestartet hat. Wie kommt es, dass drei der vier Facebook-Gründer zu Grundeinkommensaktivisten geworden sind?  

Exponentieller technologischer Fortschritt

Albert Wenger, ein aus Deutschland stammender und schon seit mehr als 30 Jahren in den USA lebender Ökonom, Informatiker und Partner bei einem der einflussreichsten Risikokapitalgeber der Welt (Union Square Ventures), erklärt das Phänomen in meinem aktuellen Kinofilm "Free Lunch Society" (siehe Video unten): "Es gibt eine ganz tolle Grafik, die das Wirtschaftswachstum in den USA zeigt. Man sieht, dass die Wirtschaft wächst, wächst, wächst. Und dann zeigt sie, wie viel von diesem Wirtschaftswachstum zu "Labor" geht, also zu den Leuten, die Arbeit zur Verfügung stellen. Gegenüber sieht man, wie viel von diesem Wirtschaftswachstum zu "Kapital" gehen – den Leuten, die das Geld zur Verfügung stellen. Wie diese Grafik zeigt, wachsen sie parallel, parallel, parallel und dann plötzlich vor ungefähr zehn Jahren: einfach ein Knick. Und die Arbeit geht gerade weg und all das zusätzliche Wirtschaftswachstum geht seitdem zu den Leuten, die das Kapital zur Verfügung stellen. Das heißt, dass wir den Einfluss der Technologie heute schon auf dem Arbeitsmarkt sehen."

Und das ist erst der Anfang: Diese Entwicklung passiert nicht linear, sondern exponentiell. Aber erst jetzt spüren wir das exponentielle technologische Wachstum tatsächlich. Während unsere ersten technologischen Entwicklungen, wie die Nutzung des Feuers und die Erfindung des Rads zehntausende von Jahren auseinander lagen, sahen wir im 19. Jahrhundert mehr technologischen Wandel als in den neun Jahrhunderten davor. In den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts gab es mehr technologischen Fortschritt als im gesamten 19. Jahrhundert. Für das 21. Jahrhundert prophezeite Ray Kurzweil im Jahr 2001, dass wir nicht 100 Jahre Fortschritt erleben werden, sondern das Äquivalent von 20.000 Jahren Fortschritt in 100 Jahren.

In seinem Essay "Economic Possibilities for our Grandchildren" erwartete John Maynard Keynes im Jahr 1930, dass wir 2030 nur mehr 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Der Mensch würde zum ersten Mal in seiner Geschichte damit konfrontiert sein würde, wie er "seine Freiheit abseits ökonomischer Notwendigkeiten nutzen und was er mit der Freizeit anfangen werde, die die Wissenschaft und der Zinseszins für ihn gewonnen haben werden, um klug, verträglich und gut zu leben". Keynes rechnete damit, dass sich das reale US-Bruttoinlandsprodukt bis 2030 vervier- bis verachtfachen werde und damit seine Vorhersage eintritt. 2015 war das reale US-BIP fünfmal so hoch wie 1930. Einer 15-Stunden-Woche stünde nichts im Wege. Was ist also schief gelaufen?

"Bullshit Jobs"

Der amerikanische Architekt und Systemtheoretiker Richard Buckminster Fuller meinte im Jahr 1970, "dass wir mit der fadenscheinigen Vorstellung aufräumen sollten, dass jeder seinen Lebensunterhalt verdienen müsse". Es sei ein Fakt, dass einer in Zehntausend für einen technologischen Durchbruch verantwortlich sein kann, der den Rest versorgt. Wir erfänden Jobs wegen der falschen Vorstellung, dass jeder mit stumpfsinniger Plackerei beschäftigt sein müsse, weil er nach malthusianisch-darwinistischer Theorie sein Recht zu existieren rechtfertigen müsse. "Deswegen haben wir Aufseher von Aufsehern und Leute, die Werkzeuge für Aufseher erfinden, um Aufseher zu überwachen. Das wahre Geschäft von Menschen sollte sein, zurück in die Schule zu gehen und darüber nachzudenken, worüber sie nachgedacht haben, bevor ihnen jemand eingeredet hat, dass sie für ihren Lebensunterhalt zu sorgen hätten."

David Graeber, Anthropologe und Politikwissenschaftler an der London School of Economics, bezeichnet die von Buckminster Fuller beschriebenen Jobs als "Bullshit Jobs". Das sind Jobs, die entweder keinen Nutzen für die Gesellschaft (und die Wirtschaft) haben oder ihr sogar schaden. Nicht der vielbeschworene Dienstleistungssektor ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Keynes' Vorhersage nicht zutrifft. Das größte Wachstum gab es in der Administration: Aufseher, die Aufseher überwachen, Reinigungskräfte, die die Toiletten der Aufseher reinigen, Wachleute, die die Büros der Aufseher bewachen, und so weiter.

Es ist erstaunlich, dass das gegenwärtige kapitalistische System solche Entwicklungen zulässt. Man sollte meinen, profitorientierte Unternehmen hätten einen Anreiz, "Bullshit Jobs" abzubauen, um konkurrenzfähiger zu werden. Stattdessen entwickelten wir eine Kultur, die jener der Sowjetunion immer ähnlicher wird: Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist wichtiger als wirtschaftliche Effizienz und Innovation.

Mark Zuckerberg bei seiner Rede an der Harvard University.
Foto: REUTERS/Brian Snyder

Zuckerberg scheint das erkannt zu haben. Sein Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen unterscheidet sich von jenen seiner Milliardärskollegen in Kalifornien dahingehend, dass er es nicht nur als unausweichliche Notwendigkeit im Angesicht des exponentiellen technologischen Fortschritts sieht, sondern als Chance – für das Individuum, die Gesellschaft und die Wirtschaft – mit "Bullshit Jobs" aufzuräumen und seinen Talenten und Neigungen entsprechend innovativ tätig sein zu können. 

Übrigens: Graeber schlägt eine Faustformel vor, um herauszufinden, ob man einen "Bullshit Job" hat: Sehen Sie sich Ihren Lohnzettel oder Ihre Einkommenssteuererklärung an – je höher Ihr Einkommen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Job unnütz oder schädlich ist. Je weniger Sie verdienen, um so wichtiger für die Gesellschaft ist ihr Job wahrscheinlich. Ausnahmen bestätigen die Regel. (Christian Tod, 31.5.2017)

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