Bei vollständigen Genomanalysen von Mäusen, die mit Crispr-Cas9 therapiert wurden, zeigte sich ein unerwartet hohes Ausmaß an Mutationen.

APA/Klaus Hecht

New York / Wien – Crispr-Cas9 gilt als die große neue Hoffnung der Biotechnologie. Sowohl in Sachen Präzision wie auch Einfachheit und Geschwindigkeit setzt diese Methode, die punktgenaue Eingriffe in das Genom ermöglicht, völlig neue Maßstäbe. Erste klinische Versuche am Menschen sind in China bereits am Laufen, in den USA sollen sie nächstes Jahr beginnen.

Eine neue Studie im Fachblatt "Nature Methods" weckt nun allerdings Zweifel, dass Crispr-Cas9 tatsächlich so "nebenwirkungsfrei" ist, wie bisherige Laborversuche mit Gewebekulturen annehmen ließen. Mediziner um Stephen Tsang (Columbia University) haben Mäuse, die an genetisch bedingter Blindheit litten, mittels Crispr-Cas9 wieder zum Sehen verholfen.

Rund 1500 Punktmutationen...

Doch die vermeintlich zielgenaue Korrektur des defekten Gens führte zu viel mehr Mutationen im Genom, als von bisherigen Software-Programmen prognostiziert worden war. Konkret berichten die Forscher, die zwei der behandelten Mäuse vor und nach der Gentherapie einer Genomanalyse unterzogen, dass der Eingriff zu rund 1500 sogenannter Einzelnukleotidmutationen führte, bei denen je ein Buchstabe der DNA umgeschrieben wird. Dazu kamen rund hundert weitere Einfügungen oder Auslassungen.

Wie die Forscher betonen, scheinen nur Genomanalysen an lebenden Organismen die wahren Dimensionen der Mutationen zu zeigen. Die bisherigen Studien über genetische Veränderungen nach Eingriffen mit der "Genschere" wurden vor allem an Laborkulturen durchgeführt.

...in unerwarteten Genregionen

Zwar fanden Mediziner um Tsang an den behandelten Mäusen keine offensichtlichen Defekte. Sie geben aber zu bedenken, dass auch eine einzelne kleine Punktmutation große Folgen haben kann. Sorge bereitet ihnen außerdem, dass sich die Mutationen an Stellen fanden, die durch bisherige Analysen nicht als gefährdete Regionen prognostiziert worden waren.

Die logische Schlussfolgerung der Mediziner: Vor weiteren Versuchen an Menschen sollten die Nebenwirkungen die Genschere dringend noch besser erforscht werden. (tasch, 30.5.2017)