Ausgezeichnet als bester deutschsprachiger SF-Roman 2016: "Omni".

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Seit Jahren höchst erfolgreich im SF-Geschäft: Andreas Brandhorst.

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Ausgezeichnet als beste Illustration: Greg Ruths Coverbild für die deutschsprachige Ausgabe von Nnedi Okorafors Roman "Lagune".

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München – Nicht nur Real Madrid hat heuer mit dem zweiten Champions-League-Triumph in Folge seinen Titel verteidigt. Das gleiche ist nun auch dem deutschen Science-Fiction-Autor Andreas Brandhorst beim Kurd-Laßwitz-Preis (KLP) in der Kategorie "Bester deutschsprachiger SF-Roman" geglückt. Das haben beim renommiertesten SF-Preis im deutschen Sprachraum bislang nur drei andere geschafft: Herbert W. Franke 1985/86, Hans-Joachim Alpers 1995/96 und Andreas Eschbach 1999/2000.

Brandhorst ist einer der erfolgreichsten SF-Autoren der Gegenwart, seine ersten Romane hatte er Ende der 70er Jahre veröffentlicht. Als langjähriger Übersetzer der "Scheibenwelt"-Romane Terry Pratchetts setzte er zudem sprachliche Standards, an denen die neueren Übertragungen ins Deutsche immer noch gemessen werden.

Die Sehnsucht nach der Weite

Für seine schriftstellerische Tätigkeit zehrt Brandhorst nicht zuletzt von dem Umstand, dass das SF-Genre in den vergangenen Jahrzehnten seine Plots zunehmend auf die Erde oder zumindest ins Sonnensystem zurückverlegt hat: dem Umstand geschuldet, dass es immer noch kein wirklich überzeugendes theoretisches Konzept für überlichtschnelle Raumfahrt gibt.

Brandhorst hingegen bedient die nach wie vor bei vielen SF-Fans vorhandene Sehnsucht nach der Weite und schreibt Space Operas, die weit in Raum und Zeit hinausführen. Das galt für das 2016 mit dem KLP ausgezeichnete "Das Schiff" ebenso wie für den heurigen Preisträger "Omni" (hier die Nachlese auf die Rezension). Die mit einem Touch Fantasy versehene Weltraumsaga hat vor kurzem erst mit "Das Arkonadia-Rätsel" (Rezension folgt in der nächsten Rundschau) eine Fortsetzung erhalten. Durchaus möglich also, dass Brandhorst 2018 einen Hattrick hinlegt.

Romane, Romane, Romane

Die Konkurrenz in der Romankategorie war inhaltlich und formal äußerst bunt gemischt: Die Palette reichte von Marc Elsbergs Gentechnik-Thriller "Helix" bis zu Frank Hebbens lyrischem "Im Nebel kein Wort", von Jo Korens "Star Trek"-inspirierter Ärztinnengeschichte "Vektor" bis zu Karsten Kruschel, der mit "Das Universum nach Landau", einer Sammlung hauptsächlich älterer Kurzgeschichten, den Kriterien für einen aktuellen Roman im Grunde gleich doppelt widersprach; dessen ungeachtet: tolles Buch.

Insgesamt waren gleich 13 Romane nominiert – ein Zeichen dafür, dass 2016 nicht das schlechteste Jahr für die deutschsprachige Science Fiction war. Abgestimmt hatte eine "Großjury" aus dem Pool derer, die auf die eine oder andere Weise im SF-Bereich tätig sind. Heuer beteiligten sich 77 Personen.

In der Kategorie "Bestes ausländisches Werk" zeigte sich die Schwarmintelligenz freilich auch nicht origineller als andere SF-Jurys. Für das neulich auch von Denis Scheck über den grünen Klee gelobte "Die drei Sonnen" erhielt der chinesische Autor Cixin Liu nun mit dem KLP den vielleicht letzten Preis, den er noch nicht gewonnen hatte. Dabei konnte sich auch die Konkurrenz sehen lassen, unter anderem Sylvain Neuvels Riesenrobotergeschichte "Giganten", Kim Stanley Robinsons Generationenschiff-Saga "Aurora" oder Adrian J. Walkers Apokalypse-Thriller "Am Ende aller Zeiten".

Weitere Preise

Der KLP für die beste deutschsprachige Erzählung ging an Gabriele Behrends "Suicide Rooms" über eine Zukunft, in der professionelle Begleitung für einen schönen Selbstmord angeboten wird (erschienen in "Exodus 35"). Als beste Illustration wurde Greg Ruths Titelbild für Nnedi Okorafors Roman "Lagune" (siehe links) ausgezeichnet; das Buch selbst war auch in der Romankategorie nominiert gewesen.

Den Sonderpreis für einmalige herausragende Leistungen erhielten Ralf Boldt, Sylvana Freyberg und das Team von MediKonOne, einem thematisch ungewöhnlichen Kongress im August 2016, der sich mit der Schnittmenge von Science Fiction und Medizin befasst hatte. Den Sonderpreis für langjährige herausragende Leistungen schließlich erhielt mit Herbert W. Franke ein Urgestein der deutschsprachigen Science Fiction: ein Pionier der Nachkriegs-SF und über die Jahre multipler KLP-Preisträger.

Spezialfälle

In zwei Kategorien stimmten Fachjurys ab. Diejenige für die beste Übersetzung wählte Martina Hasse für ... erneut Cixin Lius "Die drei Sonnen". Bemerkenswert war das Votum der Fachjury für das beste deutschsprachige SF-Hörspiel: Die befand nämlich mit überwältigender Mehrheit keinen der drei nominierten Kandidaten für preiswürdig.

Das nährt die Frage, ob diese Kategorie überhaupt noch sinnvoll ist und nicht vielleicht durch eine zeitgemäßere ersetzt werden sollte. Es wirkt doch etwas paradox, dass unter allen elektronischen Medien als einziges ausgerechnet das Radio vertreten ist, während es doch eigentlich TV-Serien, Filme, Netzvideos und nicht zuletzt Computerspiele sind, die die Science Fiction in die Haushalte bringen und zum Massenphänomen machen.

Der weitere Fahrplan

Der KLP ist nicht dotiert. Die Urkunden für die Gewinner werden im November beim PentaCon in Dresden überreicht werden. Eine Ausnahme wird für Herbert W. Franke gemacht, dessen 90. Geburtstag am 16. Juni in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar groß nachgefeiert wird. Dort wird er dann auch den höchst verdienten KLP für sein Lebenswerk entgegennehmen. (Josefson, 11. 6. 2017)