Matthias Naske ist ratlos: "Nach meinem heutigen Wissensstand sind die Vorwürfe nicht nachvollziehbar", gibt der Intendant des Wiener Konzerthauses angesichts der von Rechtsanwalt Meinhard Novak wegen einer durch und durch harmlosen Äußerung in Bezug auf Herrn Gabalier gegen ihn eingebrachten Klage zu Protokoll.

Ganz leicht nachvollziehen könnte Intendant Naske die Klage Herrn Novaks, wenn er sich über dessen Person ein wenig kundig gemacht hätte. Wer die Homepage der Novak Rechtsanwalts GmbH besucht, findet dort eine Art Filmplakat, auf dem sich der Herr Rechtsanwalt in der Pose eines Mafiapaten der Jurisprudenz gefällt. Wenn man sich ein bisschen weiter über das Wirken dieses Herrn kundig macht, trifft man auf einen Bericht über einen Vortrag, mit dem Novak junge "ehrgeizige LeistungsträgerInnen, deren Ziel es ist, beruflichen Erfolg zu erlangen", mit erstaunlichen Offenbarungen über sein besonderes Berufsethos vertraut macht. "Man kann aus allem ein Geschäft machen" ist eine der "Weisheiten" (sic!), die der Anwalt dem Nachwuchs anvertraut, und "Ein Prozess kann auch als Marketinginstrument dienen".

Gerichtssaal als Bühne

So denken sich die Anwälte vom Schlag des Herrn Novak den Rechtsstaat und seine Institutionen. Die Richter als Esel, welche die Publicitykutsche eines im Fond thronenden PR-Kunden zu ziehen haben, und auf dem Kutschbock der Herr Advokat, der mit einem Klagsschriftmachwerk als Peitsche das subalterne Gerichtspersonal vor sich hertreibt, nicht etwa weil er meint, einen berechtigten Anspruch zu vertreten, sondern weil er den Gerichtssaal als Bühne für eine Marketinginszenierung zu nutzen gedenkt.

Über seine Berechtigung zu einem derartigen Missbrauch der Jurisprudenz irrt Herr Novak allerdings. Der Paragraf 408 der Zivilprozessordnung sieht genau dafür die Verhängung von Mutwillensstrafen vor, und die ständige Judikatur bezeichnet eine solche verächtliche Vorgangsweise klar als sittenwidrig. Geschäftsmann Novak sollte sich also tunlich auf ein anderes Feld für seine Profitmacherei verlegen, und die Rechtsanwaltskammer sollte sich vielleicht weniger auf Berufsanwärter konzentrieren, die auf dem Graben beim Verzehr einer Wurstsemmel ertappt werden, als auf das Wirken von Kollegen, die dem Stand durch die Verbreitung solcher Ratschläge an eine junge Juristengeneration wenig Ehre machen.

Die Selbstinszenierung des Herrn Novak als Mafiapate mag man lächerlich und peinlich finden, zufällig gewählt ist sie aber nicht. Dem Mann ist es offenkundig um flächendeckende Einschüchterung zu tun. Die mit dem absurd hohen Streitwert von 500.000 Euro bezifferte, vollkommen substanzlose Klage gegen Matthias Naske soll und muss als Warnung an alle verstanden werden, die irgendeine Art von Kritik an seinem Herrn Mandanten äußern wollen.

Zeit und Nerven

Wer das wagt, lautet die Drohung, wird Zeit und Nerven opfern müssen, um sich mit einem potenziell existenzvernichtenden Anspruch herumzuschlagen, wie unbegründet und aussichtslos der auch immer sein mag. Man wird als unfreiwilliger Mitwirkender in die Marketingmanege der Novak Rechtsanwalts GmbH gezwungen werden, und der Herr Advokat wird nach der von ihm durchaus einkalkulierten Abweisung seiner Klage das Bisschen Gerichtsgebühren als gut angelegte Investition für wochenlange mediale Aufmerksamkeit verbuchen, deren Herstellung zum üblichen Tarif ein Vielfaches gekostet hätte.

Es gibt eine Pflicht aller Kunstschaffenden in diesem Land, einem solchen dreisten Angriff auf die freie Meinungsäußerung entschlossen entgegenzutreten. Wir wollen wissen, in welchem Land wir leben.

Integrationskurse

Wenn Matthias Naske zu Recht auf den rein künstlerischen Gehalt seiner Aussage rekurriert, möchte ich seinen Überlegungen einen weiteren Aspekt hinzufügen, und der Herr Anwalt soll mich gern auf sieben Milliarden Euro oder jeden anderen von ihm gewünschten Fantasiebetrag verklagen: Die Republik Österreich gibt zurzeit Millionenbeträge aus, um Greise aus Ostanatolien und junge Männer aus Syrien von Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis abzubringen, die hierzulande als widrig gelten.

Herr Gabalier äußert Ansichten, die offenkundig nicht nur für mein Empfinden eine bedenkliche Nähe zu exakt jenen Vorstellungen eines männlichen Primats zeigen, die unseren Gästen in eigens eingerichteten Integrationskursen ausgetrieben werden sollen. Das ist sein gutes Recht. Es ist aber nicht nur das gute Recht, sondern vor allen Dingen die Pflicht des künstlerischen Leiters einer führenden österreichischen Kulturinstitution abzuwägen, ob er einer Person, die solche Haltungen zu vertreten scheint, eine Bühne bieten soll und darf. Es ist auch sein Recht, solche Überlegungen auf Nachfrage öffentlich zu machen. Dieses Recht werden wir uns auch durch die futilen Einschüchterungsversuche des Herrn Novak nicht nehmen lassen. (Sven Hartberger, 5.6.2017)