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Ein Meer aus Plastik und anderem Müll, angeschwemmt an einem Strand bei Manila auf den Philippinen. Seit vielen Jahren wird an der Entwicklung von Verpackungsmaterial gearbeitet, das sich irgendwann buchstäblich in Luft auflöst. Doch noch sind viele Fragen offen.

Foto: REUTERS/Romeo Ranoco

Wien – Ein Beutel mit Instantsuppe, der sich im Wasser auflöst; Käsescheiben, deren Trennfolie man essen kann; Lebensmittel, die in Folie verpackt viel länger haltbar sind: Geht es nach den Forschern des US-Landwirtschaftsministeriums, könnte das die Zukunft der Kunststoffverpackung sein. Kürzlich präsentierten sie eine Entwicklung, die all das ermöglichen soll – eine essbare Folie, hergestellt aus dem Milchprotein Kasein. Doch kann dieses Produkt wirklich den Verpackungsmarkt revolutionieren? Wenn ja: Wäre das wirklich nachhaltig?

Seit Jahren experimentieren Unternehmen mit Biokunststoffen, die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, manche sind biologisch abbaubar. Insgesamt liegt der Anteil von Biokunststoffen im Verpackungsbereich derzeit im niedrigen einstelligen Bereich; die meisten Verpackungen sind aus Erdöl. Nur ein kleiner Teil wird recycelt, der Rest wird verbrannt, auf Deponien oder ins Meer gekippt. Schätzungen zufolge rund acht Millionen Tonnen jährlich.

Cornflakes und Pizza in Folie

Eine Folie, die sich von selbst auflöst, klingt vielversprechend. Vergangenes Jahr hat ein Team um Peggy Tomasula diese Entwicklung bei der American Chemical Society vorgestellt. Sie besteht aus einer Art Proteinfilm, ist zwar weniger elastisch als herkömmliche Folien, soll dank kleinerer Poren aber deutlich weniger Sauerstoff durchlassen. Laut den Entwicklern soll sie Lebensmittel haltbarer machen und so gegen Verschwendung helfen.

Die Forscherinnen und Forscher wollen nun mit Zusatzstoffen experimentieren; Vitamine oder Aromen könnten irgendwann mit der Folie mitgegessen werden. Auch könnten etwa Cornflakes mit der Folie anstatt mit Zucker besprüht werden, damit sie in der Milch knusprig bleiben. Oder Pizzakartons: Die könnten damit imprägniert werden, um sich nicht mit Fett vollzusaugen. Bis das Produkt reif für die Praxis ist, ist aber noch viel Entwicklung nötig; 2019 könnte es marktreif sein.

Dabei ist Folie aus Kasein laut Martin Höher von der Österreichischen Energieagentur seit 1994 patentiert, eine essbare Variante hat das Start-up QMilk aus Hannover 2013 entwickelt. Gründerin Anke Domaske zufolge liege die Produktion auf Eis, auch wenn man im Vergleich zum Labormaßstab der US-Forscher um Tomasula "definitiv weiter" sei.

Milchabfallprodukte

Derzeit fokussiere man auf andere Produkte, auf haut- und umweltverträgliche Textilfasern und Kosmetik aus Milch. Die bezieht Domaske von regionalen Landwirten; sie betont, dass es sich dabei ausschließlich um sogenannte Non-Food-Milch handelt, die nicht als Lebensmittel verkauft werden darf, etwa um Kolostral- oder verkeimte Milch.

"Allein in Deutschland fallen jährlich etwa zwei Millionen Kilogramm an", sagt sie; für Österreich liegt keine Erfassung vor. Aus welcher Milch die US-Forscher ihre Folie herstellen wollen, ist bisher nicht bekannt. Folie aus verzehrbarer Milch jedenfalls würde mit Lebensmitteln konkurrieren und wäre deshalb problematisch, sagen Experten wie Höher. Die industrielle stoffliche Nutzung sollte seiner Meinung nach auf Neben- und Abfallprodukte beschränkt bleiben.

Auch wenn die Folie aus einem Abfallprodukt hergestellt würde, wäre ihr Klimafußabdruck wohl ziemlich hoch, sagt Harald Pilz von Denkstatt, einer österreichischen Unternehmensberatung für Umwelt und Nachhaltigkeit. Verantwortlich dafür seien Methanemissionen aus Kuhmägen und verschiedene Futterkomponenten. Bei bisherigen biogenen Kunststoffen muss laut österreichischem Umweltbundesamt zudem teilweise mehr Material verwendet werden, damit eine Folie aus Kasein so reißfest wird wie konventionelle.

Eine weitere offene Frage betrifft die Verwertbarkeit der essbaren Kasein-Folie: Was passiert mit ihr, wenn sie nicht aufgelöst und nicht verspeist wird? Die US-Forscher beschreiben ihre Folie als "bio-degradable", als biologisch abbaubar. Doch selbst für gängige biobasierte Kunststoffe wie Polymilchsäure ist im Abfallwirtschaftssystem derzeit kein organischer Abbau vorgesehen, obwohl dieser theoretisch möglich wäre. "Das Ziel sind hohe Kompostqualitäten", heißt es beim Umweltbundesamt. Sämtliche Kunststoffe werden deshalb vor der Kompostierung verbrannt.

Ungewiss: Nachhaltigkeit

Neben Rohstoffquellen und Entsorgung stellen sich weitere Fragen in Sachen Nachhaltigkeit: Ist die Folie sicher für biologische Kreisläufe und unschädlich für Prozesswasser? Wird sie mit erneuerbarer Energie, wenig Kohlenstoffausstoß und sozial verträglich produziert? Gilt das auch auf alle Zusatzchemikalien wie Additive, Druckfarben und Katalysatoren?

"Für Biolebensmittel gibt es längst einen Markt. Nur die Verpackung kann noch nicht mithalten", sagt Albin Kälin, dessen Institut Epea Switzerland Unternehmen bei der Einführung zirkulärer Prozesse berät. Er ist überzeugt, dass Verbraucher grundsätzlich großes Interesse an einer nachhaltigen Folie haben. Doch letztlich müssten sie dafür auch mehr zahlen, sagt Bernhard Sprockamp vom deutschen Industrieverband Papier- und Folienverpackung.

Laut Stephan Becker-Sonnenschein vom deutschen Lobbyingverband "Die Lebensmittelwirtschaft" wollen gerade große Handelsketten zeigen, dass sie etwas für die Umwelt tun. Für sie es sei aber auch wichtig, wie skalierbar ein Produkt sei und wie schnell eine Versorgung damit aufgebaut werden kann. "Beides hängt von den Kosten für Ressourcen und Produktion ab und vom Absatz."

Laut dem deutschen Umweltbundesamt zeigen Biokunststoffverpackungen bisher keine Umweltvorteile gegenüber herkömmlichem Kunststoff. Wenn es nach dem Verband European Bioplastics e. V. geht, sollen die Produktionskapazitäten für Biokunststoffe in den nächsten Jahren trotzdem kräftig steigen. (Konstanze Faßbinder, 11.6.2017)