Kompositbild des Bumerangnebels aus ALMA- und Hubble-Daten: Sanduhrförmige Materieströme erstrecken sich 21.000 Mal weiter als die Entfernung zwischen Erde und Sonne ins All. Sie sind von einem zehnmal so großen ultrakalten Ausfluss umgeben.

Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO); NASA/ESA Hubble; NRAO/AUI/NSF

Charlottesville – Der 5.000 Lichtjahre von uns entfernte Bumerangnebel im Sternbild des Zentauren gilt als kältester Ort des bekannten Universums. Mit weniger als einem Kelvin respektive minus 272,15 Grad Celsius weist er eine Temperatur auf, wie man sie sonst nur künstlich erzeugt in einem Labor finden kann.

Das kalte Rätsel

LEDA 3074547, wie das Objekt offiziell heißt, ist die Vorstufe zu einem planetarischen Nebel, also der abgestoßenen Gas- und Plasmahülle eines alten Sterns. Weil solche vergleichsweise kurzlebigen Gebilde oft kugelförmig sind, wurden sie in der Anfangszeit der Teleskopie für Planeten gehalten. Hier befindet sich der Prozess des Materieausstoßes noch in einem frühen Stadium. Beim Bumerangnebel hätte es allerdings ohnehin keine solche Verwechslung geben können: Er trägt auch die Bezeichnung "Bow Tie Nebula", weil er an eine Fliege (vulgo Mascherl) erinnert.

Wie der Stern es zuwege brachte, etwas zu produzieren, das kälter als die kosmische Umgebung ist, blieb zunächst ein Rätsel. Nach Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile glauben Astronomen nun die Antwort in einer kosmischen Kollision gefunden zu haben. Ihre Hypothese wurde im "Astrophysical Journal" veröffentlicht.

Kollision mit Folgen

Und so soll es abgelaufen sein: Der alte Stern, ein Roter Riese, habe einen kleinen Begleiter gehabt, der in sein "Herz" gestürzt ist und ihm Materie entrissen hat. Dieser Ausstoß expandierte mit extrem hohem Tempo – etwa zehnmal so schnell, wie ein Stern aus eigenen Kräften Materie abstoßen könnte –, wodurch das Material enorm abkühlen konnte.

Die kältesten Stellen liegen laut dem National Radio Astronomy Observatory in Charlottesville, Virginia, nur ein halbes Kelvin über dem absoluten Nullpunkt. Die kosmische Hintergrundstrahlung hatte seit dem Urknall über 13 Milliarden Jahre Zeit zum Abkühlen und ist dennoch erst auf 2,725 Kelvin gesunken. Darum wird sich auch der ultrakalte Bumerangnebel beizeiten an seine "warme" Umgebung annähern. (red, 7. 6. 2017)