Haben die Rolle des typischen Kleinkriminellen gut studiert: Faris Rahoma und Aleksandar Petrovic sind "Die Migrantigen".

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Regisseur mit "gesundem" Blick: Arman Riahi.

Foto: Martin Stöbich

Wien – "Bist du deppert, man kann es mit der Integration auch übertreiben." Eine spezielle Form dieser Übertreibung wählen jedenfalls Marko und Benny, zwei junge gebürtige Wiener mit Migrationshintergrund, denen diese Zuschreibung in Arman Riahis Komödie Die Migrantigen gar nicht genehm ist. Denn Schauspieler Benny (Faris Rahoma) wird ausnahmslos für Taxifahrer und Kleinkriminelle gecastet, und auch Werbetexter Marko (Aleksandar Petrovic) wird vom Misserfolg verfolgt. Als sie der Fernsehkamera von Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) über den den Weg laufen, die im fiktiven Grätzel Rudolfsgrund eine Sozialdoku dreht, haben die selbsternannten Komiker die glorreiche Idee: Sie schlüpfen als Omar ("wie Omar Sharif") und Tito ("wie Tito aus Jugo") für eine TV-Serie in jene Rolle, die von ihnen erwartet wird – als Parademigranten.

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STANDARD: Man hört neuerdings oft den Begriff "Migrationskomödie". Was genau soll das sein?

Riahi: Das kann ich nicht sagen, denn ich habe meinem Film diese Deklaration nicht gegeben. Er wird zwar als Migrations- oder Migrantenkomödie bezeichnet, aber genau diese Zuschreibungen sollte er eigentlich nicht haben. Am besten gefällt mir Ethnokomödie. Das erinnert mich an die Ethnomusik, wo dann ein paar Leute mit Migrationshintergrund mitspielen. Es muss eben leider immer alles kategorisiert werden.

STANDARD: Aber dass es eine Komödie werden sollte, war klar?

Riahi: Das stand von Beginn an fest. Meine beiden Hauptdarsteller, die Koautoren sind, und ich wollten dieses leidige und nervige Thema einfach als Komödienstoff behandeln.

STANDARD: Im Stile einer klassischen Verwechslungskomödie?

Riahi: Ja. Es ging uns darum, vom gängigen Opfer-Täter-Bild wegzukommen, das in der politischen Diskussion und im öffentlichen Diskurs immer dann auftaucht, wenn von Integration die Rede ist. Als Migrant ist man arm oder arm dran oder man hat etwas falsch gemacht. Doch die zweite Generation, die als geborene Österreicher sozusagen dazwischen steht, wird ignoriert. Die fallen nicht mehr auf und sind irgendwie verschwunden.

STANDARD: Könnte diese Ignoranz nicht auch Ausdruck von Akzeptanz sein?

Riahi: Aber es gibt keine Öffentlichkeit dafür. Man liest in der Zeitung nicht über einen Österreicher mit Migrationshintergrund, der perfekt Deutsch spricht, vielleicht gar nicht aussieht wie ein Ausländer und einen Integrationspreis gewinnt. Es muss ihm immer noch etwas "Ausländisches" anhaften. Dann hat er mindestens schwarze Haare oder heißt Petrovic. Meine beiden Hauptdarsteller spielen nach wie vor die kriminellen Ausländer in den österreichischen Krimiserien.

STANDARD: Es ist interessant, dass Sie in diesem Kontext von Opfern und Tätern sprechen. Werden denn die beiden in gewisser Weise tatsächlich zu Tätern, indem sie mittels Camouflage zur Tat schreiten?

Riahi: Absolut. Die Figuren sind ja ambivalent angelegt, naiv und listig zugleich. Sie haben ein Bewusstsein dafür, welche Rollenbilder es gibt, aber sie setzen sich darüber hinweg. Was sich auch negativ auswirkt. Denn diejenigen, die keine Opfer sind, wie zum Beispiel der Gemüsehändler im Grätzel, werden durch sie erst zu solchen gemacht.

STANDARD: Besteht nicht die Gefahr, dass einen das ständige Spiel mit Identitäten austauschbar macht?

Riahi: Ich habe einen relativ gesunden Blick auf meinen Migrationshintergrund und finde ihn bereichernd. Die beiden Charaktere sind eine negative Überzeichnung dafür, dass man nichts mehr mit der Kultur seiner Eltern zu tun hat. Es wäre schade, wenn das in meinem Leben so wäre.

STANDARD: Das Thema Integration hat ja bemerkenswerte Filme hervorgebracht wie "Nachtreise", "I Love Vienna" oder "Suzie Washington". Welche Entwicklung zeichnet sich da ab?

Riahi: Es gibt Filme aus dem Milieu mit komplexen Figuren, auch aktuelle wie Risse im Beton von Umut Dag, doch es gibt praktisch keine österreichischen Filme außerhalb dieses Milieus, in denen man Menschen mit Migrationshintergrund sieht. Und wenn, dann als Randfiguren, als Putzfrau oder Taxifahrer. Es hat im österreichischen Kino fast noch nie eine Figur gegeben, für die der Migrationshintergrund kein Problem ist oder keinen Konflikt darstellt.

STANDARD: War für eine Komödie dieser Art also erst jetzt die Zeit reif?

Riahi: Ich weiß nicht, ob es diese Zeit gebraucht hat. Sicher ist, dass in den 1990er-Jahren eine ganz andere Stimmung herrschte. Damals sind Flüchtlingsheime angezündet worden – so wie jetzt auch wieder -, aber wir leben heute in einer viel selbstironischeren Zeit. Da musste sich erst eine politische Unkorrektheit entfalten. Andererseits leben wir in einem Land, in dem die Filmkomödie nicht gerade eine lange Tradition hat. Dabei ist es die Königsdisziplin.

STANDARD: Das politische Klima hat sich seither also nicht gebessert.

Riahi: Richtig, aber was sich geändert hat, ist das Selbstbild der Migranten der zweiten und dritten Generation. Da gibt es ein neues Selbstbewusstsein und Vorbilder, die hier eine Lanze brechen.

STANDARD: Und wer gewinnt am Ende? Sind es nun die Migranten oder die Wiener?

Riahi: Die Idee war, dass den beiden das Verschmitzte aus der Patsche helfen soll. Als ein Remix dieses Wiener Schmähs. Das ist die Seele des Films. (Michael Pekler, 8.6.2017)