Marcus Philipp ist Barchef in der Albertina-Passage. Sein Sommerdrink heißt "Crazy Funky Fizz". Dazu mixt er 5 cl Tanqueray No. 10 Gin, 2,5 cl Zitronensaft, 2 cl Zuckersirup, frischen Koriander und Minze und siebt alles in ein Longdrinkglas, das mit Soda aufgefüllt wird.
Albertina Passage, Opernring/Operngasse, 1010 Wien

Foto: privat

Bert Jachmann ist Barchef im Restaurant Heuer am Karlsplatz. Sein Sommerdrink heißt "Gerhards Kracherl". Dazu gibt er 3 cl Burschik Dry Vermouth, 3 cl Beerenauslese von Kracher und drei Kaffirlimettenblätter in ein Burgunderglas. Nach 30 Sekunden wird das Glas mit Eiswürfel und Tonic aufgefüllt.
Heuer am Karlsplatz, Treitlstraße 2, 1040 Wien

Foto: Bertianna

Am 21. Juni beginnt offiziell der Sommer. Die Schanigärten und Terrassen diverser Lokale sind aber bereits seit einigen Wochen gut besucht. Während die Eiswürfelmaschine zur Höchstform aufläuft, lässt sich auch in den gutgelaunten Gesichtern der Gäste und des Personals ablesen, dass endlich die schönste Zeit des Jahres angebrochen ist.

Neben dem neuesten Sommerhit im Radio und der Eissorte der Saison spielt auch die Wahl zum aktuellen Sommerdrink jedes Jahr eine entscheidende Rolle – vor allem für die Spirituosenhersteller. Schließlich ist es eine perfekte Möglichkeit, sich zu präsentieren. Was wird diesen Sommer auf den angesagten Dachterrassen und Poolpartys als neues In-Getränk serviert?

Sieht man sich diverse Blogs, Instagram-Accounts und Websites an, lässt sich nicht genau ausmachen, welches Getränk an den Erfolg diverser aufgemotzter Spritzer anknüpfen könnte. Der Hype, wie ihn beispielsweise "Hugo" auslöste, wird allerdings nur schwer zu übertreffen sein. Der Sommerdrink, der sich hierzulande seit vielen Jahren auf diversen Getränkekarten hält, war so etwas, was man einen "Lucky Shot" nennt.

Was wird diesen Sommer auf den angesagten Dachterrassen und Poolpartys als neues In-Getränk serviert?
Foto: Getty Images/iStockphoto/Pilin_Petunyia

Der Hugo-Hype

Obwohl man Spritzer mit Holunderblütensirup schon lange – beispielsweise als Kaiserspritzer – kennt, hat sich Hugo zum In-Getränk im deutschsprachigen Raum entwickelt. Es gibt kaum jemanden, der den vom Südtiroler Barkeeper Roland Gruber kreierten Drink nicht kennt. Den Namen habe er übrigens rein zufällig gewählt, wie er sagt. Der leicht zu merkende Name und die virale Verbreitung sind aber nicht vordergründig ausschlaggebend für den Erfolg eines In-Getränks.

"Ein Sommerdrink wird dann populär, wenn der Geschmack die breite Masse trifft. Mit Hugo ist das gelungen. Auch wenn es wesentlich spannendere Dinge gibt", sagt Albertina-Passage-Barchef Marcus Philipp. Aber welche Kriterien muss ein Sommerdrink – abgesehen von Massentauglichkeit – erfüllen, um als solcher durchzugehen? "Er muss spritzig, erfrischend und leicht zu trinken sein. Viel Eis ist wichtig, damit der Drink richtig kühl ist. Verwendet man nur ein paar Eiswürfel, wird er eher durch das Schmelzwasser verwässert. Natürlich soll der Sommerdrink etwas Besonderes sein. Bier und Spritzer trinkt man ohnehin das ganze Jahr über. Gesunde Inhaltsstoffe werden auch immer mehr zum Thema", sagt Philipp.

Aufgeklärte Gäste

Ein bisschen Holunderblütensaft und ein Minzblatt reichen heute also nicht mehr aus, um einen weißen Spritzer in ein Sommergetränk zu verwandeln, über das alle sprechen. Barkeeper und Gäste sind gefordert, sich an neue, vielleicht völlig ungewohnte Geschmackskombinationen heranzutrauen. "Ich habe das Gefühl, dass die Gäste zunehmend aufgeklärter sind und sich nicht vorschreiben lassen, was ein Sommerdrink ist. Sie interessieren sich für spannende Kombinationen", sagt Bert Jachmann, Barchef im Restaurant Heuer am Karlsplatz.

Er kombiniert beispielsweise Wassermelone mit Estragon oder frisches Joghurt mit selbstgemachter Pfefferessenz in seinen Drinks. "Blumige Aromen wie Rosenblüten- oder Orangenblütenwasser passen im Sommer auch immer sehr gut. Echte Essenzen sind immer besser als irgendwelche künstlichen Sirupe", sagt Jachmann.

Markenpflege

Lange Zeit waren es bekannte Marken wie Campari, Aperol oder Lillet, die die Trends vorgaben und die Basis für Sommerdrinks bildeten. Heute bedienen sich kreative Barkeeper immer öfter alter und neuer Techniken zur Herstellung eigener Essenzen und Sirupe. Kräuter wie Dille oder Koriander finden neben scharfen Zutaten wie Ingwer immer öfter den Weg in spannende Sommerdrinks. Shrubs, die mit Früchten, Essig und Zucker hergestellt werden, sind ebenso beliebt wie jene Aromabomben, die entstehen, wenn man Gewürze oder Tees tagelang durch einen Cold Dripper tropfen lässt.

Die Wiederentdeckung des Selbstgemachten schafft nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sie eröffnet Gästen auch ein völlig neues Geschmacksspektrum. Es wird dadurch aber auch zunehmend schwieriger, wirkliche Trends zu kreieren. Gewiefte Influencer lassen sich davon nicht irritieren und versuchen jedes Jahr aufs Neue, Sommerdrinks populär zu machen. Eine Mischung aus Gin Tonic und Kaffee geistert im Moment herum, die von der deutschen Barkeeper-Union eher als Lifestylemagazinhype und nicht als Trend bezeichnet wird.

"Kaffee und Alkohol ist keine ungewöhnliche Kombination. Gin Tonic mit Kaffee wird sich aber wahrscheinlich nicht durchsetzen", sagt Marcus Philipp. Für den Barkeeper sei es wichtig, Emotionen mit einem Sommerdrink zu erzeugen. "Ich habe einen Cocktail auf Negroni-Basis kreiert, der mit Lemon-Soda aufgespritzt wird. Wenn man ihn trinkt und die Augen schließt, denkt man, man sei in der Toskana." Alte Klassiker wie Tom Collins oder Campari-Soda erleben laut Philipp aber gerade wieder eine Renaissance.

Bei vielen ist es mit dem Sommerdrink wahrscheinlich wie mit dem Sommerhit: Schließlich ist Mungo Jerry mit "In the Summertime" heute noch ein guter Wegbegleiter an heißen Sommertagen im Auto. (Alex Stranig, RONDO, 18.6.2017)

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