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Gerettete Flüchtlinge werden von einem NGO-Schiff nach Italien gebracht.

Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Wien – Als "NGO-Wahnsinn", dessen Resultat es sei, dass sich noch mehr Flüchtlinge auf den Weg in Richtung Europa machten, bezeichnete Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im vergangenen März die Rettungsaktionen von Hilfsorganisationen im Mittelmeer. Bereits im selben Monat – DER STANDARD berichtete – gab es eine Studie der Universität Oxford und der Scuola Normale Superiore, der Elitehochschule in Pisa, die diese These widerlegte. Nun kommen Forscher des Goldsmiths College an der University of London zum gleichen Ergebnis. Dem Report "Blaming the Rescuers" zufolge, der auf verschiedenen offiziellen Statistiken sowie Aussagen von Behördenvertretern, Migranten und NGO-Mitarbeitern basiert, hat der Zuwachs an Ankünften nichts mit den Aktivitäten der NGOs zu tun.

Dabei wird unter anderem ein Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex zitiert, dem zufolge die Rekordanzahl von 181.459 Ankünften im Jahr 2016 eine Fortsetzung des Trends der vergangenen Jahre sei – als Rettungsschiffe nicht im Mittelmeer aktiv waren. Außerdem, so heißt es, seien von 2015 bis 2016 die Ankünfte von Flüchtlingen, die von Marokko aus in See stachen, um 46 Prozent gestiegen. Auf dieser Route sind kaum NGO-Schiffe unterwegs.

Kleine Boote statt großer Schiffe

Ein weiterer Vorwurf gegen die Hilfsorganisationen lautet, dass sie die Arbeit der Schlepper vereinfachen würden, weil diese nun kleine, kaum seetüchtige Boote mit wenig Sprit verwenden können, da ja dann relativ rasch die NGOs die Flüchtlinge aufnehmen. Der Studie zufolge sei dieser Effekt aber auf die EU-Militärmission Sophia zurückzuführen – diese habe die großen Schiffe der Schlepper zerstört, die deshalb auf kleine Boote umsteigen mussten. Die NGOs seien demnach also nicht die Auslöser dieser Entwicklung, sondern hätten auf diese reagiert, um noch mehr Tote im Mittelmeer zu vermeiden.

Außenminister Kurz hat unterdessen vorgeschlagen, die Mittelmeerroute komplett zu schließen und gerettete Flüchtlinge direkt in Aufnahmelager in Tunesien und Ägypten zu bringen. Dort soll es keine Möglichkeit dazu geben, einen Asylantrag zu stellen, denn "dann führt das ja zu einem Pull-Faktor, dass Menschen aus ganz Afrika nach Ägypten oder Tunesien aufbrechen", so Kurz zur Austria Presse Agentur. Tunesien und Ägypten haben solche Vorschläge aber bislang immer abgelehnt. (Kim Son Hoang, 14.6.2017)