In den Hotspots-Ländern der Schlepperei fehlen der Polizei Ansprechpartner, um Gegenmaßnahmen zu organisieren.

Foto: APA/Jäger

Wien/Berlin – Das Schleppergeschäft brummt auf der ganzen Welt. Die Gefahren für Flüchtlinge sind tödlich, aber die Nachfrage bleibt riesig: Schlepper machen weltweit einen Umsatz von zehn Milliarden Dollar (8,95 Milliarden Euro), das schätzt die Internationale Organisation für Migration (IOM). "Es könnte sogar noch mehr sein", sagt IOM-Experte Frank Laczko. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Die Big Shots im europäischen Schleppergeschäft sitzen gar nicht in Europa, sondern in der Türkei, in Syrien, Ägypten, Libyen und in weiteren afrikanischen Staaten. Diese Strukturen sind nur schwer nachzuverfolgen, sagt Österreichs oberster Schlepperfahnder Gerald Tatzgern.

Die Türkei ist der zentrale Startpunkt für die Balkanroute, Libyen für den Weg übers Mittelmeer. Ausgerechnet mit diesen Schlüsselländern liegt die Zusammenarbeit derzeit brach, in der Türkei wurden seit dem Putsch tausende Polizisten ausgetauscht. Auch die diplomatische Krise der Türkei mit Deutschland belastet die Zusammenarbeit, berichten Ermittler hinter vorgehaltener Hand. Und im zerfallenden Staat Libyen gibt es überhaupt keine Ansprechpartner mehr.

Wachsende Brutalität

Experten beobachten eine wachsende Brutalität der Schlepper. Das Uno-Kinderhilfswerk Unicef berichtet, dass vor Konflikten in Afrika flüchtende Frauen und Kinder in inoffiziellen Inhaftierungslagern in Libyen geschlagen oder vergewaltigt würden. Zudem gebe es für sie in diesen Lagern oft nicht genug zu essen. Unicef kritisiert, dass diese Lager nichts anderes als Gefängnisse seien, in denen Menschen als Geiseln gehalten und zur Prostitution oder anderer Arbeit gezwungen würden. Viele Länder reagieren auf den Zustrom von Menschen mit drastisch verschärften Grenzkontrollen. Experten warnen jedoch, dass solche Antworten auf den Menschenschmuggel diesen erst befeuern, anstatt ihn zu bekämpfen.

65 Millionen Vertriebene

Je schwieriger es für verzweifelte Menschen wird, desto wahrscheinlicher suchen sie Hilfe von Schleppern, um ihr Zielland zu erreichen. Salil Shetty, der Generalsekretär von Amnesty International, ist ein ausgesprochener Kritiker von solch harten Ansätzen wie etwa jenem Australiens. Die australische Marine zwingt Schmugglerboote mit Kurs auf Australien auf See zur Umkehr und schickt Bootsflüchtlinge in Lager in anderen Ländern.

Krieg und Verfolgung haben mehr Menschen vertrieben als je zuvor, sagt das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. In dessen Bericht aus dem vergangenen Jahr ist von 65,3 Millionen durch Krieg und Gewalt Vertriebenen Ende 2015 die Rede. Im Jahr davor waren es 59,5 Millionen gewesen. Rund 41 Millionen von ihnen bleiben im Heimatland, doch der Rest hat sich in fremde Länder aufgemacht. Dazu kommen Leute, die aus anderen Gründen gehen. Selbst die Uno-Migrationsbehörde kann aber keine Gesamtzahl illegaler Migranten nennen.

Menschenschmuggel ist ein Verbrechen, das hohe Gewinne verspricht und wenig Risiko birgt. Die Bezahlung läuft in den wichtigsten Schlepperkorridoren häufig mit dem Hawala-System: dem traditionellen Überweisungssystems der muslimischen Welt. Das Geld wird Vertrauensmännern übergeben, die weitere Vertrauensleute beim Empfänger mit der Auszahlung beauftragen. Einfach gesagt: Geld wird verschoben, ohne dass es bewegt wird. Ein Netz aus Vermittlern zieht sich durch den Nahen Osten und Nordafrika. (APA, dpa, simo, 13.6.2017)