Mit der Popularität in der Forschung ist das so eine Sache. Einerseits will ja jeder Wissenschafter Anerkennung für seine Arbeit, andererseits kann die Öffentlichkeit so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass weitere Forschungsarbeiten kaum möglich werden: Die Französin Emmanuelle Charpentier weiß ein Lied davon zu singen. Sie hat 2012 gemeinsam mit der amerikanischen Strukturbiologin Jennifer Doudna und ihren jeweiligen Teams die Gen-Schere CRISPR/Cas9 beschrieben. Nicht nur einmal sagte sie seither, die aktuell größte Herausforderung sei, neue Forschungen trotz vieler Interviews und Vorträge nicht aus den Augen zu verlieren. Der Preis des Ruhms also.

Wahrscheinlich ist Charpentier im Laufe nur weniger Jahre eines der aktuell bekanntesten Gesichter der Wissenschaft geworden. Diesen Weg ist ihr Dissertant aus jener Zeit an den Max Perutz Labs der Uni Wien, der Pole Krzysztof Chylinski aus Lódz, nicht gegangen. Die Chance hätte er wohl gehabt, da er einer der beiden Wissenschafter war, die entscheidende technische Arbeiten für die Studie durchführten. Der andere: der tschechische Biochemiker Martin Jinek, damals Postdoc bei Doudna. Von ihm weiß man, dass er mittlerweile eine Gruppe an der Uni Zürich leitet. Doch was macht Krzysztof Chylinski?

Der Pole Krzysztof Chylinski, eine zentrale Figur bei der Entschlüsselung von CRISPR/Cas9 im Labor der Vienna Biocenter Core Facilities: Er ist in Wien geblieben, weil die Lebensqualität und Arbeitsbedingungen für ihn gut passen.
Foto: Heribert Corn

"Chris", wie er genannt wird, ist mittlerweile 33 Jahre alt geworden. Er finalisierte die Doktorarbeit über RNA-bindende Proteine im Bakterium Streptococcus pyogenes. Betreuerinnen waren Charpentier und Wittgenstein-Preisträgerin Renée Schroeder. Und er nahm 2014 eine Stelle an den Vienna Biocenter Core Facilities in Wien-Landstraße an. Der Hintergrund: Das CRISPR/Cas9-System, das gerade zu einer Revolution in der Wissenschaft führte, weil es schneller und effizienter als vergleichbare Methoden ist, sollte für Labore auf dem und außerhalb des Campus produziert und angewandt werden – und zwar von dem Mann, der es mitentschlüsselt hat. Chylinski baute also in der Abteilung "Protein Technologies" von Peggy Stolt-Bergner eine Art Produktionsstätte für CRISPR auf.

Mittlerweile werden seine Dienste und die seines Teams recht häufig angefragt. "Wir sind gut beschäftigt." Die Forscher arbeiten regelmäßig mit etwa 50 Gruppen zusammen, sagt er im Interview. Da die Anforderungen an das zu liefernde System von Fall zu Fall unterschiedlich sind, ist der Arbeitsalltag auch sehr variantenreich. Einige Kunden wünschen sich auch nur Beratung, manche schicken Doktoratsstudenten, damit sie lernen, wie die Herstellung von CRISPR funktioniert. Wieder andere geben die gesamte Editierung in die Hände von Chylinski und seinem Team. In jedem Fall arbeitet man hier mit Zellen, niemals am Tiermodell.

Keine großen Worte

Chylinski ist beim Beschreiben dieser Fakten wahrlich kein Mann von großen Worten. Er zeigt die Labors, erklärt freundlich, was wo passiert, scheint sich aber auch zu wundern, warum all das für Journalisten interessant sein kann: Das Arbeitsumfeld ist doch eigentlich ganz normal, oder? Natürlich ist ihm bewusst, was er da mit CRISPR/Cas9 mitentwickelt hat, dass damit ein defektes Gen aus der DNA schnell entfernt werden kann.

Die Fantasien der Öffentlichkeit schlagen Kapriolen in Richtung Heilung von Krankheiten, die bisher als unheilbar galten. Ob er bei den Forschungen von Charpentier und Doudna eine zentrale Rolle gespielt hat, will er dennoch nicht sagen. "Das müssen andere bewerten, ich war aber sicher ein Teil von dieser großen Geschichte." Konsequenterweise wirkt er fast beschämt von Erzählungen, dass Wissenschafter Formulierungen wie "Stolz, dass er immer noch hier arbeitet" fallen lassen. Vielleicht kommt da noch ein "Das ist sehr nett" über Doudnas seitenlange Lobeshymne auf seine und Martin Jineks Arbeit in ihrem Buch A Crack in Creation – mehr aber nicht.

Chylinski ist, das sagt er mehrmals deutlich, "aus privaten Gründen" in Wien geblieben und betont, dass ihm die Stadt gefällt. Die Lebensqualität sei sehr hoch, auch die Arbeitsbedingungen im Biocenter ließen keine Wünsche offen. "Warum sollte ich also weggehen?", fragt er und macht deutlich, dass er von häufigen Ortswechseln nichts hält. "CRISPR ist entschlüsselt, entdeckt und wird vielfach verwendet. Die Konkurrenz ist groß. Da ist es besser, an der Weiterentwicklung des Systems zu arbeiten."

"Superhappy" im Interview

Chylinski wurde für die Entwicklungen am CRISPR-System immerhin mit dem Bank Austria Research Award, mit dem Award of Excellence, dem VBC PhD Award und dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet. Auf Charpentiers Award-Liste stehen gut 25 Preise, unter anderem der Louis-Jeantet- und der Breakthrough-Preis. Für den Nobelpreis gilt sie schon seit zwei Jahren als Favoritin. Selbst wenn man dem Polen glauben darf, dass Neid für ihn kein Thema sei: Manchmal könnte auch er ein wenig mehr Anerkennung vertragen, manchmal ist es ihm wohl auch egal. In jedem Fall ist er "superhappy", wenn er über seine Forschungen sprechen kann – soll heißen: nur über die Forschung. Die beiden Haken in der sonst so geradlinigen CRISPR-Erfolgsgeschichte will er nicht bereden: Ob man an den Max Perutz Labs hätte erkennen müssen, welches Potenzial in den Forschungen von Emmanuelle Charpentier steckt – was kümmert es ihn? "Das sind alles Tratschgeschichten. Das hat nichts mit mir zu tun." Kein Gerücht ist, dass die Uni Wien dank Chylinskis damaliger Anbindung an die Perutz Labs auch am Streit um das CRISPR-Patent zwischen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier auf der einen und dem Neurowissenschafter Feng Zhang vom Bostoner Broad Institute auf der anderen Seite beteiligt ist. Mehr kann Chylinski auch dazu nicht sagen. Ein allzu heikles Thema. "Bitte um Verständnis, da müssten Sie mit den Patentanwälten sprechen."

Wird er denn auch langfristig in Wien bleiben? "Ich habe keine Ahnung, was kommen wird", gibt Chylinski zur Antwort. "Vielleicht wird es ja einmal eine Technologie geben, die CRISPR ablöst." Was aber mit Sicherheit so bleiben wird, ist seine Einstellung zu seiner Arbeit: Chylinski ist, wie man so sagt, durch und durch Wissenschafter, obwohl er sich weit über die Verwendung der Gen-Schere hinausgehende Gedanken macht. Die Möglichkeit, sie zu nutzen, um Arten für immer zu verändern und möglicherweise auszurotten, bereite ihm Sorgen. Grundsätzlich bleibt er aber der faktenorientierte Pragmatiker: "Ich bin weder Bioethiker noch Philosoph." Auch auf religiöse Anspielungen lässt sich der Wissenschafter nicht ein. Niemand von den Biologen, die CRISPR/Cas9 anwenden, würde Gott eines Irrtums überführen wollen. Aus seiner Sicht seien das problematische Überlegungen, denn sie wären ein Bekenntnis zur Existenz Gottes. Deutlicher kann man den Zugang zur Wissenschaft kaum machen. (Peter Illetschko, 24.7.2017)