Alle Islamkindergärten zuzusperren ist kein praktikabler Vorschlag: Dass es ein Problem gibt, sollten aber auch die Betroffenen endlich sehen.

Foto: Heribert Corn /www.corn.at

Der Religionspädagoge Ednan Aslan hat den Stein zweifellos ins Rollen gebracht: Im Auftrag von Integrationsminister Sebastian Kurz untersuchte Aslan im Jahr 2015 islamische Kindergärten in Wien. Schon die Zusammenfassung dieser Studie, von Kurz vorzeitig veröffentlicht, führte zu heftigen öffentlichen Diskussionen.

Aslans Studie hatte nur etwa ein Fünftel der rund 15.000 Kinder umfasst, die in islamische Kindergärten oder Kindergruppen gehen. Nun legt der Wissenschafter, diesmal im gemeinsamen Auftrag von Integrationsministerium und Stadt Wien, nach. Die Ergebnisse der neuen Studie sollen zwar erst im Herbst vorliegen, aber Minister Kurz weiß offenbar schon wieder etwas – und konnte sich nicht zurückhalten mit Schlussfolgerungen: Man müsse alle Islamkindergärten überhaupt verbieten, verlangte er diese Woche, sofort sekundiert von Gernot Blümel, der überhaupt "Wiens Kinder vor Parallelgesellschaften schützen" will.

Diskriminierung

So etwas ist schnell dahingesagt, fällt in bestimmten Wählerkreisen unter Garantie auf fruchtbaren Boden und trägt genau gar nichts zur Lösung eines evidenten Problems bei. Denn zunächst einmal gibt es in Österreich so etwas wie Gesetze und eine Verfassung – und die garantiert, dass in Österreich lebende Menschen gleich behandelt und, unter anderem, in ihrer Religionsausübung nicht behindert werden. Gestattet man katholischen, protestantischen, jüdischen Gläubigen und den Zeugen Jehovas, ihre Religion ungehindert auszuüben, greift aber beim Islam zu immer schärferen Restriktionen, ist das ein klassischer Fall von Diskriminierung.

Abgesehen davon würde man durch die Schließung aller islamischen Kindergärten nur eines erreichen: dass "private" Koranschulen, streng geheim, wie Pilze aus dem Boden schießen. Diese dann zu überwachen, beziehungsweise die Lehre, die dort herrscht, wieder einzufangen und unter staatliche Kontrolle zu bringen, wird schwierig und schafft neue Probleme.

Gegen die Vernunft

Insofern verwundert nicht, dass sich der Wissenschafter Aslan gegen Kurz, den Auftraggeber seiner Studie, stellt: Auch Aslan meint, das Verbieten aller islamischen Kindergärten und -gruppen sei nicht zielführend. Und dann sagte er im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag einen denkwürdigen Satz: "Das weiß der Minister auch." Damit hat er bestimmt recht, Kurz tappt nicht aus Ahnungslosigkeit in rhetorische Populismusfallen. Und es erhebt sich die Frage, warum er dann so etwas sagt – noch dazu als immer noch amtierender Integrationsminister. Es gibt keine andere Erklärung als die, dass Kurz politische Vernunft und staatsmännisches Maßhalten auf dem Wahlkampf-Altar opfert. Das wirft kein gutes Licht auf seine Kanzlerambitionen, auch wenn er mit seiner Kritik in vielem recht hat.

Die Reaktion der "Gegenseite" ist freilich auch alles andere als hilfreich: Statt endlich einzugestehen, dass es ein Problem gibt, wenn in einem demokratischen EU-Staat eine erkleckliche Anzahl islamischer Kindergärten eine Islam-Doktrin lehrt, die abschottend, ausgrenzend und genau das Gegenteil von multikulturell offen ist. Wo die Kindergartenpädagoginnen nicht ausreichend geschult sind – und die Rolle von Frauen in der österreichischen Gesellschaft vermutlich auch nicht so weitergeben wie von dieser gewünscht. Man muss einmal anerkennen, dass es hier ein Problem gibt – und nicht gleich den Integrationsminister beschuldigen, dass er "ein bisschen die Islamfeindlichkeit schürt", wie das Sevgi Kircil, die Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), getan hat. Oder, noch drastischer: Der Politologe Farid Hafez, der dem Integrationsministerium in einem STANDARD-Kommentar gleich in Bausch und Bogen ein "Rassismusproblem" vorwirft.

Abrüstung gefragt

Hier wird mit dem Bihänder zurückgeschlagen, was genauso wenig zu einer befriedigenden Problemlösung führen wird. Das einzig Vernünftige wäre, wenn jetzt alle einmal ihre rhetorischen Waffen niederlegen und zuhören, was Aslan eigentlich sagen will:

Seine Kritik richtet sich nicht gegen die religiöse Erziehung von Kindern, aber er hält sie dann für gefährlich, wenn sie zu einer "religiös-politisch begründeten Isolation" der Kinder sowie zur Verachtung von Menschen mit anderen Anschauungen führt. Und er fordert, was alle vernünftigen Experten fordern: dass die Qualitätsstandards für ALLE Kindergärten in Österreich endlich zentral festgelegt werden. Dem ist nichts hinzuzufügen. Alles Übrige ist Wahlkampfgetöse. (Petra Stuiber, 24.6.2017)