Russell Coutts: "Die meisten, die gegen den neuen America's Cup wettern, sind nie auf so einem Boot gesegelt."

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Emirates Team New Zealand fliegt vor dem Oracle Team USA daher – die Katamaran-Segelei ist nicht jedermanns Sache.

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Hamilton – Russell Coutts ist nicht nur CEO des America's Cup, sondern auch Exponent von Titelverteidiger Oracle USA des Milliardärs Larry Ellison. Obwohl sein Team am vergangenen Sonntag vor Bermuda die vierte Niederlage in Serie einfuhr, empfing "Mr. America's Cup" eine Viertelstunde später zum Interview im Cup-Village und war erstaunlich entspannt. Sein Büro ist in einem riesigen Glaskubus über der Partyzone des Megaspektakels untergebracht, zu dem an diesem Tag mehr als 5000 Menschen kamen, um das Duell zwischen den Amerikanern und den Neuseeländern zu verfolgen.

STANDARD: Ich traf Sie zum letzten Mal beim America's Cup in Valencia. Das ist zehn Jahre her. Die Einrümpfer von damals waren behäbig im Vergleich zu den zweirumpfigen Geschossen, die heute über das Wasser fliegen. Hätten Sie gedacht, dass sich der Cup in einer relativ kurzen Zeit derart verändern würde?

Coutts: Nein, das habe selbst ich mir nicht vorstellen können. Es ist unglaublich, was weitergebracht wurde. Es ist wie in einer Arena, in der man einen beeindruckenden Wettkampf verfolgen kann. Die Boote erreichen 90 km/h.

STANDARD: Wo sind die Grenzen? Sind sie nicht schon erreicht?

Coutts: Ich glaube, wir brauchen noch mehr gute Boote und Teams, die an den Start gehen. Alles muss enger werden, die Abstände zwischen den Booten kleiner. Wir sprechen von einem Event, und die Menschen wollen diese Action. Da draußen wird gekämpft.

STANDARD: Der America's Cup ist dadurch auch gefährlicher denn je. 2013 forderte er vor San Francisco sein erstes Todesopfer. Wie denken Sie über die Gefahren des Cups?

Coutts: Die Crews heute sind in Sachen Sicherheit sehr gut ausgerüstet, viel besser, als wir es waren. Und sie wissen sehr genau, was sie tun. Sie sind gepanzert, tragen Helme et cetera. Als ich noch den Cup segelte, wurden Kräfte von über fünf Tonnen frei.

STANDARD: Sie sausten aber auch nicht mit einer derartigen Geschwindigkeit übers Wasser.

Coutts: Das stimmt, aber was glauben Sie, was los ist, wenn ein Bolzen durch die Gegend fliegt, der Mast runterkommt oder sonst etwas bei einer Krafteinwirkung von fünf Tonnen bricht? Nicht wenige haben ihre Arme verloren und hätten ebenso sterben können.

STANDARD: Sie nannten den Cup einmal Wasserblitzschach. Können Sie das erklären?

Coutts: Der Wind ändert sich ständig und somit auch die ersegelten Positionen. Die besten Segler können den Wind auf dem Wasser lesen. Es hat eine Menge mit Taktik und Gespür zu tun. Das ist wie beim Schach. Hinzu kommt der Blitz. Er steht für den Speed der Boote.

STANDARD: Reizt es Sie nicht, einen AC-50-Katamaran zu steuern?

Coutts: Ich hatte viele großartige Jahre als Steuermann. Es kommt der Moment, in dem man sich eingestehen muss, körperlich nicht mehr auf dem Level zu sein, der für diesen Sport nötig wäre. Ich bin 55. Gäbe es den America's Cup noch in seiner alten Form, könnte ich bestimmt noch am Steuer stehen. Aber Sie sehen: Die Sportarten, die die Leute wirklich interessieren, sind nichts für 55-Jährige.

STANDARD: Apropos alter Cup: Es gibt Menschen, die sich den alten Cup zurückwünschen. Sie meinen, dass alles, was da geschieht, nichts mehr mit Segeln zu tun habe. Haben Sie Verständnis für sie?

Coutts: Nicht wirklich. Menschen sind ebenso verschieden wie ihre Boote. Auch ich liebe es, auf traditionellen Booten zu segeln, aber ich denke, ein Schlüssel für die Zukunft des America's Cup ist es, eine jüngere Generation zu begeistern. Es gibt heute viel mehr junge Menschen, die sich für den America's Cup interessieren, egal, ob hier in Bermuda oder weltweit vor den TV-Schirmen. Und noch etwas: Die meisten, die gegen den neuen Cup wettern, sind nie auf einem solchen Boot gesegelt.

STANDARD: Sie sind einer der erfolgreichsten Segler des America's Cup, haben ihn als Steuermann dreimal gewonnen. Als Sie im Jahr 2000 vom Team New Zealand zum Schweizer Team Alinghi wechselten, wurden Sie in Ihrer Heimat Neuseeland extrem angefeindet. Haben sich die Wogen inzwischen geglättet?

Coutts: Ja, Mann, das ist jetzt schon eine schöne Weile her. Das Gute am Sport ist ja, dass er emotional ist. Die Leute unterstützen ihre Teams, das ist wichtig für sie. Hätte ich als neuseeländischer Manager zu einem Schweizer Unternehmen gewechselt, hätte mir das niemand übel genommen. Im Sport ist das eben anders. Und manche übertreiben es halt.

STANDARD: Auch das österreichische Unternehmen Red Bull engagiert sich im Segelsport. Können Sie sich eine österreichische Crew beim Cup vorstellen?

Coutts: Natürlich, warum nicht? Red Bull würde sich bestimmt nicht so engagieren, wenn kein Interesse am Cup bestünde. Andererseits haben die bereits eine ganze Menge von Projekten laufen.

STANDARD: Dass das Verteidigerboot von Oracle zum ersten Mal auch in den ersten Qualifikationsrennen, den Louis Vuitton America's Cup Qualifiers, mitsegeln durfte, sorgte für einige Kritik. Wie stehen Sie dazu?

Coutts: Es war früher ein großer Nachteil für den Verteidiger, das nicht tun zu dürfen. Aber ich sage es Ihnen ehrlich: Es hat auch viel mit den Sponsoren zu tun. Wenn der Verteidiger das amerikanische Boot ist, dann wollen auch die Sponsoren der Franzosen, der Engländer und all der anderen Teams, die es nicht ins Finale schafften, sehen, wie ihre Teams gegen den Verteidiger segeln. Es ist also auch eine kommerzielle Entscheidung.

STANDARD: Es sorgt ebenso für Kritik, dass Sie einerseits CEO der America's Cup Event Authority sind und gleichzeitig Teil des amerikanischen Teams.

Coutts: Das Team leitet Jimmy Spithill, der auch am Steuer des Bootes steht. Ich bin für die Finanzen zuständig, für die Sponsoren, die Fernsehrechte für den Cup et cetera. Ich habe keinerlei Einfluss auf das Regelwerk oder so. Dafür gibt es eine andere Institution. Larry Ellison hat mich für meinen Job angestellt.

STANDARD: Und er ist der Boss?

Coutts: Er ist der Boss!

STANDARD: Wer wird den Cup, vielleicht schon an diesem Wochenende, gewinnen?

Coutts: Die Neuseeländer sind extrem stark. Es wird schwierig werden für unser Team. Aber Jimmy hat beim letzten Mal vor San Francisco im Jahr 2013 noch ganz anderes aufgeholt – von 1:8.

STANDARD: Vielleicht braucht er den Rückstand?

Coutts: Da bin ich mir nicht ganz so sicher. (Michael Hausenblas, 24.6.2017)

Die Reise nach Bermuda erfolgte auf Einladung von Louis Vuitton.