Dortmund, Westfalenhalle. Zwei Wörter nur sind es, die die Herzen von Sozialdemokraten höher schlagen lassen – normalerweise. Dortmund ist Ruhrgebiet ist Pott ist Herzkammer der Sozialdemokratie. Hierher hatte die SPD ihren Wahlparteitag gelegt, den letzten vor der Bundestagswahl am 24. September. Man wollte, im Rucksack einen kraftvollen SPD-Sieg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, ein starkes Zeichen setzen.

Doch es kam bekanntlich anders. Die SPD wurde im Mai an Rhein und Ruhr abgewählt, bald wird die neue schwarz-gelbe Landesregierung vereidigt. Also stufte die SPD-Führung das Delegiertentreffen in Dortmund zum "Arbeitsparteitag" herab. Kein Konfetti, keine Ballons, hatte Generalsekretär Hubertus Heil zuvor ausgegeben.

Mehr solide als überraschend

Es wurde dann ein anständiger Parteitag mit Programmbeschluss, keine solche Sankt-Martins-Show wie im März, als Schulz mit 100 Prozent zum SPD-Chef gekürt wurde. Die Martinmania, die sich eigentlich keiner so recht hat erklären können, ist vorbei. Programmatisch hat sich Schulz nun auch festgelegt – mehr solide als überraschend.

Die Inhalte waren vorher bekannt, trugen aber auch nicht zur Erhöhung der Umfragewerte bei. Daher waren auf diesem Parteitag zwei neue Linien zu beobachten: Zum einen versicherte man, dass der Wahlkampf ja jetzt erst losgehe, also noch alles drin sei. Ausgeblendet wird das schwierige Frühjahr mit drei Wahlpleiten. Zweitens lautet die Strategie, die von ganz oben kommt, nun: Attacke auf Angela Merkel, was grundsätzlich sehr nachvollziehbar ist.

Merkel stellt sich nicht

Schulz braucht den Angriff, er muss Merkel herausfordern, und es herrscht bei den Sozialdemokraten auch ein enormer Frust darüber, dass Merkel sich einfach nicht stellt, sondern jegliche rote Kritik an ihr abperlt wie das Spülwasser an der Teflonpfanne. Der Kampf, der am meisten wütend macht, ist ja nicht der, bei dem man Gegenwind hat – sondern jener, bei dem der Gegner einfach über einen hinwegsieht, einen gar nicht wahrnimmt.

Man kann Merkel thematisch stellen und dabei für die eigenen Konzepte werben. Man kann ihr vorwerfen, dass sie nach aktivem Engagement in der Flüchtlingskrise nun wieder präsidial im Kanzleramt thront. Ob es eine gute Idee ist, ihre Haltung mit einem "Anschlag auf die Demokratie" gleichzusetzen, ist aber mehr als fraglich.

Letzte Hüterin der freien Welt

Ausgerechnet Angela Merkel, die neben all den Trumps, Putins und Erdogans als letzte Hüterin der freien Welt gefeiert wird? Die, bei allem Erstarken der AfD, immer noch – im Vergleich zu anderen Regierungschefs – als eine gewisse Garantie gegen rechten Populismus gilt? Es ist eine riskante Strategie, die Schulz nun verfolgt, zumal Merkel auch wieder persönlich viel höhere Beliebtheitswerte hat.

Derartig wuchtige Vorwürfe können denjenigen, der sie erhebt, schnell sehr klein machen. In acht Tagen stellt die Union ohnehin ihr Wahlprogramm vor. Da wird sich doch sicher etwas für inhaltliche Auseinandersetzung finden. Das nämlich wäre auch ein Dienst an der Demokratie. (Birgit Baumann, 25.6.2017)