Zwölf Jahre nun ist Angela Merkel schon deutsche Kanzlerin, aber sie schafft es immer noch zu verblüffen. Einerseits steht sie selbst der Ehe für alle nicht besonders aufgeschlossen gegenüber. Andererseits wurde der Druck immer stärker. Nicht nur viele in der Union treten mittlerweile für die Ehe für alle ein. Merkel musste in den vergangenen Wochen auch erkennen, dass sie im Herbst zwar die Wahl gewinnen, aber dann ohne Koalitionspartner dastehen könnte.

Man sagt heute nicht mehr: Mit der und der Partei koaliere ich nicht. Es heißt anno 2017 bei SPD, Grünen und FDP unisono: Einen Koalitionsvertrag, in dem die Ehe für alle nicht drinsteht, unterschreiben wir nicht.

Also hat Merkel das Thema mit einer Eleganz vom Tisch gewischt, die nicht unbeeindruckend ist: indem sie die Angelegenheit einfach zur Gewissensfrage erklärte. Damit sagt sie: Ich selbst will es eigentlich nicht, aber ich kann es auch nicht (mehr) verhindern.

Doch irgendwie hat sie nicht mit der neuen Entschlossenheit von SPD-Chef Martin Schulz gerechnet. Der fackelte nicht lange, nahm sie beim Wort und will die Abstimmung am letzten Tag dieser Legislaturperiode erzwingen.

Diese Überrumpelung ist nicht die feine Art, aber Schulz nutzt seine Chance und hilft letztendlich einen Zustand zu beenden, der ohnehin nicht mehr tragbar ist: dass für Homosexuelle immer noch nicht gleiche Rechte gelten. (Birgit Baumann, 27.6.2017)