Bild nicht mehr verfügbar.

Das vom Élysée-Palast veröffentlichte offizielle Macron-Foto.

Foto: AP/Präsidentenpalast

Das verbindliche Lächeln wird die nächsten Jahre Zehntausende von Amtsstuben und Rathäuser in ganz Frankreich schmücken: Soeben ist das offizielle Porträt des französischen Präsidenten Emmanuel Macron erschienen. Das von seiner Hoffotografin geschossene Bild spricht Bände über die Selbstinszenierung des Staatschefs zwischen den heute obligaten Frankreich- und EU-Flaggen. Kein Detail wurde vernachlässigt: Zwei Werke der französischen Literatur zeugen von der Orientierung des jungen Präsidenten – Stendhals Rot und Schwarz über einen ehrgeizigen Emporkömmling, Gides Uns nährt die Erde über die menschliche Sinnenfreude.

Im Handy auf dem Bürotisch spiegelt sich der gallische Hahn, dazwischen liegen aufgeschlagen die Kriegsmemoiren von Charles de Gaulle. Das ist natürlich kein Zufall. Macron bezieht sich oft und gerne auf den General, der sich 1958 die Verfassung der Fünften Republik auf den – auch politisch imposanten – Leib geschneidert hatte. Es ist bekannt: Auch Nachfolger wie der Sozialist François Mitterrand – der das präsidiale Statut weit über den Parteien zuerst als "permanenten Staatsstreich" bezeichnet hatte – schöpften die Machtfülle voll aus.

"Die Welt erklären"

Weniger bekannt ist, dass die Stellung des Staatschefs seit zwei Verfassungsänderungen in den letzten 15 Jahren noch umfassender ist. De Gaulle hatte noch weise an der Gewaltentrennung festgehalten und sich selbst verboten, vor das Parlament zu treten. Nicolas Sarkozy und François Hollande genehmigten sich diese 2008 eingeführte Möglichkeit je einmal. Macron will das neue Verfassungsrecht nach eigenen Worten regelmäßig wahrnehmen. Schon am kommenden Montag beruft er Nationalversammlung und Senat an den ehemaligen Königshof in Versailles ein. Wie der Sonnenkönig wird er den über 900 Parlamentariern "die Welt erklären, in der wir leben" – wie sich ein Präsidentenberater ausdrückte.

Ein anderer meinte, Macron wolle sich nun einmal im Jahr wie ein US-Präsident zum "State of the Union" äußern. Nach dem französischen Verständnis war dafür bisher der Premierminister zuständig. Édouard Philippe wird am Dienstag auch in der Tat seine Regierungserklärung abgeben. Bloß wird das Interesse daran massiv schwinden: Ihm zuvorkommend, wird der hohe Staatschef den "Zustand der Nation" schon am Vortag erklärt haben.

Boykott der "convocation"

Der ehemals sozialistische Abgeordnete Olivier Faure – seine Schrumpffraktion nennt sich nun "Neue Linke" – sieht in Macrons Vorprellen "eine Erniedrigung des Premierministers". Der kommunistische Senator Pierre Laurent spricht generell von einer "Präsidialmonarchie", und der konservative Deputierte Guillaume Larrivé ärgert sich: "Wir sind doch nicht in einem kaiserlichen Regime!" Mehrere Links- wie Rechtsabgeordnete wollen die "convocation" (Vorladung) des Präsidenten boykottieren. Jean-Luc Mélenchons "Unbeugsames Frankreich" hat beschlossen, gar nicht nach Versailles zu fahren.

Der ebenfalls Zuhause bleibende Zentrumsdemokrat Jean-Christophe Lagarde sagte: "Der Präsident braucht uns nicht für seine Kommunikationsoperation. Indem er die Regierung herabsetzt, begeht er seinen ersten politischen Fehler."

Hohe Beliebtheitswerte

Unsicher ist, ob das alle Franzosen so sehen. Macrons Umfragewerte bleiben mit 54 Sympathiepunkten anhaltend positiv. Daran ändert auch nicht, dass in gut einem Monat bereits vier Minister über Finanzaffären gestolpert sind und den Hut nehmen mussten. Beim letzten EU-Gipfel – wo Macron nicht über die gleiche Machtfülle wie in Paris gebietet – scheiterte er mit all seinen Vorschlägen, so einer stärkeren Kontrolle chinesischer Investitionen.

Die Pariser Presse sah über den Misserfolg hinweg. "Die Konzeption der vertikalen, gerafften, hieratischen und feierlichen Macht gefällt seltsamerweise in diesem so aufmüpfigen Land", folgert der Editorialist Laurent Joffrin: "In dem alten republikanischen Frankreich zahlt sich der Monarchismus nach wie vor aus." Übertreiben darf es der Hausherr in Versailles aber auch nicht, wie die französische Revolutionsgeschichte zeigt. (Stefan Brändle aus Paris, 2.7.2017)