Stockholm/Wien – Die Zahl der weltweiten Atomwaffen ist im vergangenen Jahr zwar weiter zurückgegangen – international gibt es 460 Atomsprengköpfe weniger als im Vorjahr, wie am Montag aus einem Sipri-Bericht hervorging. Dies sei jedoch kein Anzeichen für nukleare Abrüstung, da die Staaten verstärkt in die Modernisierung ihrer Arsenale, in die Entwicklung oder die Stationierung neuer Waffensysteme investieren würden, so das internationale Friedensforschungsinstitut am Montag.

Die im Bericht genannten neun Atomwaffenstaaten USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea besäßen laut der Schätzung etwa 14.935 Atomsprengköpfe; im vergangenen Jahr ging man noch von 15.395 aus. Über sofort einsatzbereite Atomsprengköpfe verfügten den Angaben zufolge nur Russland (1.950), die USA (1.800), Frankreich (280) und Großbritannien (120). Diese Sprengköpfe seien laut Sipri bereits auf Raketen montiert oder würden auf Militärbasen aufbewahrt, von denen aus sie gestartet werden können.

Keiner der Atomwaffenstaaten beabsichtige, sein Atomarsenal in absehbarer Zeit aufzugeben. Die USA und Russland, die insgesamt über rund 93 Prozent der Atomwaffen verfügen, hätten Sipri zufolge umfangreiche Modernisierungsprojekte gestartet. Washington plane etwa nach Angaben des Haushaltsbüros des Kongresses (CBO) bis 2026 Ausgaben von mehr als 400 Milliarden Dollar (rund 351 Milliarden Euro) für die Atomstreitkräfte ein. Einigen Schätzungen zufolge steigen die US-Investitionen in die Modernisierungsmaßnahmen bis Mitte 2040 auf bis zu eine Billion Dollar.

Nordkorea habe offenbar technische Fortschritte beim Ausbau seines Atomwaffenprogramms erzielt, schreiben die Autoren der Studie. Das kommunistische Land könnte demnach bis zu 20 Atomsprengköpfe produziert haben. Es gebe jedoch keine belastbaren Daten, die belegten, dass Pjöngjang Atomsprengköpfe entwickelt habe, mit denen ballistische Raketen bestückt werden könnten.

Schwierig sei es für Sipri auch, Informationen über Nuklearwaffen aus Israel, Indien und Pakistan zu beschaffen, da dort offiziell keine Angaben zum Umfang der Bestände gemacht werden. Sipri schätzt die Zahl pakistanischer Atomsprengköpfe auf 130 bis 140, die indischen auf 120 bis 130 und die israelischen auf 80. Indien und Pakistan weiteten laut Sipri ihre Produktionskapazitäten für die Herstellung spaltbaren Materials aus, was zu einer deutlichen Ausweitung der Produktion von Atomwaffen im kommenden Jahrzehnt führen könnte.

Verhandlungen über Atomwaffenverbot

Derzeit laufen noch bis zum 7. Juli Gespräche über einen Vertrag für ein internationales Atomwaffenverbot in New York – allerdings nehmen die atomwaffenbesitzenden Länder nicht daran teil. Für den Vertrag macht sich unter anderem Österreich stark, bereits Mitte Mai fanden dazu Gespräche in Wien statt. Erwartet wird, dass am Ende der Verhandlungen ein Dokument verabschiedet wird, in dem sich die Unterzeichner verpflichten, Atomwaffen weder zu entwickeln noch sie herzustellen, anzuschaffen, zu besitzen oder zu lagern.

Die mehr als 130 Staaten hatten wegen der schleppenden Umsetzung der Abrüstung im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags, etwa seitens der USA und Russlands, begonnen, über einen Vertrag zu verhandeln, der ein komplettes Verbot von Atomwaffen vorsieht. Der 1968 initiierte und von 190 Ländern unterzeichnete Atomwaffensperrvertrag verpflichtet die Atommächte zwar zur Abrüstung, setzt dafür aber keinen Zeitrahmen. (maa, 3.7.2017)