2016 war der Ring an jedem dritten Samstag gesperrt, klagen Händler.

APA

Wien – Hermann Gmeiner-Wagner ist auf Demonstranten schlecht zu sprechen. Der Juwelier vertritt als Vereinsobmann Händler der Wiener Kärntner Straße und sieht das Verständnis für freie Meinungsäußerung rundum sinken, vor allem wenn dieses mit einer Ring-Sperre und Verkehrschaos verbunden ist. "Wien ist eine lebenswerte Stadt. Die Kundgebungen im Shoppingherzen schaden ihrem Image."

Sie habe an zwei von vier Samstagen im Dezember früher zusperren müssen, klagt Marie Béatrice Fröhlich, Chefin des Familienbetriebs Zur Brieftaube und Abgesandte der Händler am Graben. Es gehe nicht darum, demokratische Rechte zu beschneiden, sondern um Respekt vor verschiedenen Interessen. "Für 40 Prozent der Kunden ist die Zufahrt zur Innenstadt mit dem Auto entscheidend." Viele assoziierten die City jedoch mit Demos. "Und das zieht einen Rattenschwanz an Effekten mit sich."

Ökonomische Auswirkungen

2016 war der Wiener Ring für Veranstaltungen und Kundgebungen an 37 Einkaufstagen zumindest teilweise gesperrt. 19-mal betraf es Einkaufssamstage. 64 Prozent von 200 befragten Händlern erlitten an diesen Tagen eigenen Angaben zufolge Umsatzverluste zwischen fünf und 80 Prozent, erhob die KMU Forschung Austria.

Ihr Auftraggeber war die Wirtschaftskammer Wien, die erstmals Zahlen über direkte ökonomische Auswirkungen der Demos auf den Tisch wollte. Demnach sollen diese jährlich 35 Millionen Euro Umsatz kosten. Mit dazu kämen 120 Jobs, die aufgrund der Geschäftsbehinderung verhindert würden. Besonders betroffen seien das Goldene U, Kärntnerviertel und Gassen rund um Oper und Graben.

Für den Handelsobmann Rainer Trefelik kann es so nicht weitergehen. Hoffnungen auf eine gesetzliche Lösung, die Demonstranten auf wenige festgelegte Plätze verbannt, hat er aufgegeben. "Das ist extrem schwer durchsetzbar." Zumal das Versammlungsrecht ein hohes Gut sei. Trefelik pocht aber nun, wo der finanzielle Schaden klar bemessen sei, auf eine pragmatische österreichische Lösung.

Er will sich mit Politik und Non-Profit-Organisationen auf freiwillige Demozonen einigen. Sein Favorit ist der Schwarzenbergplatz, gefolgt von Rathausplatz und Museumsplatz. Dafür werde man den Demonstranten bei der Infrastruktur unter die Arme greifen, etwa Soundanlagen bereitstellen. "Eine Übersiedelung wäre es uns wert, dafür in unser Budget zu greifen", betont auch Juwelier und Vereinsobmann Gmeiner-Wagner.

"Keine Tabuzonen"

Hans Arsenovic, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Wien und Sprecher der Grünen Wirtschaft, sperrt sich nicht gegen Gespräche. Er ist auch nicht davon abgeneigt, Händlern für erlittene Umsatzeinbußen steuerlich einen finanziellen Ausgleich anzubieten, wie im STANDARD-Gespräch einräumt.

Eigene Demozonen lehnt er jedoch klipp und klar ab. "Das Recht auf Demonstrationsfreiheit ist eine Errungenschaft, das alle anderen Interessen schlägt, auch wirtschaftliche." Für ihn ist die Statistik der Händler über die Zahl an Ring-Sperren zu relativieren. "Da werden auch der 26. Oktober und der Life Ball miteingerechnet." Häufig sei der Trubel nach zehn Minuten auch schon wieder vorbei.

Fritz Strobl, Präsident des Sozialdemokratischen Wiener Wirtschaftsverbands, schlägt in dieselbe Kerbe. "Bei allem Verständnis für Händler: Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht. Daran können und dürfen wir nicht vorbei." Geschäftsviertel für Demonstranten zu Tabuzonen erklären zu lassen, schließt er daher entschieden aus.

Was der Handel aus seiner Sicht ausklammert: Viele Veranstaltungen wie der Life Ball brachten zusätzliche Menschen nach Wien. Dass die Demos Urlauber abschrecken, hält er für Unsinn. "Der Wiener Tourismus stürmt seit Jahren von einem Rekord zum nächsten." (Verena Kainrath, 3.7.2017)