Rom/Wien – Nach den vom Verteidigungsministerium eingeleiteten Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner hat das italienische Außenministerium den österreichischen Botschafter in Rom, René Pollitzer, zu einem Gespräch gebeten, wie aus einer Presseaussendung des Außenministeriums in Rom hervorgeht.

SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil bereitet derzeit einen möglichen Assistenzeinsatz von Soldaten am Brenner vor.
ORF

Rom reagiert besorgt auf die Aktivierung der Grenzkontrollen am Brenner. "Europa war dabei, sich zu erholen. Ist es möglich, dass Frankreich, Spanien und Österreich sich nicht über die Schäden im Klaren sind, die sie anrichten?", fragte Italiens Expremier Enrico Letta.

EU-Kommission nicht informiert

Die EU-Kommission ist über die von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) angekündigten geplanten Grenzkontrollen zu Italien bisher nicht informiert. Eine Sprecherin von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos erklärte am Dienstag, man habe entsprechende Medienberichte gesehen, "aber wir haben bisher keine offizielle Notifizierung von Österreich".

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, will sich am Nachmittag in Straßburg zur jüngsten Flüchtlingskrise in Italien äußern.

Sanktionen gefordert

Zuvor hatte die in Italien regierende Demokratische Partei (PD) um Expremier Matteo Renzi die Vorbereitungen für Grenzkontrollen kritisiert und die Einleitung eines EU-Verfahrens gegen Österreich gefordert. "Die EU-Kommission soll sich sofort melden", verlangte auf Facebook die für EU-Fragen verantwortliche PD-Abgeordnete Marina Berlinghieri.

"Österreich hat noch keinen einzigen Flüchtling im Rahmen des Relocation-Programms aufgenommen, genau wie Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, gegen die bereits ein EU-Verfahren läuft. Das Land verletzt jegliche europäische Solidaritätsregel und schließt seine Grenzen", so Berlinghieri.

Zustimmung von rechts

Anders sieht die Lage der Chef der ausländerfeindlichen Oppositionspartei Lega Nord, Matteo Salvini. Während Österreich Grenzkontrollen einführe und Frankreich und Spanien ihre Häfen schließen, habe die italienische Regierung immer noch nichts gegen die "Flüchtlingsinvasion"unternommen. "Achtung, nicht zu übertreiben, in Italien könnte es bald zu Reaktionen seitens der Bevölkerung kommen", warnte Salvini.

Franz Kompatscher, Bürgermeister der Südtiroler Grenzgemeinde Brenner, meinte, es gebe keinen Flüchtlingsnotstand. "Es gibt durchaus wenige Flüchtlinge. Wir haben in der Vergangenheit viel schwierigere Zeiten erlebt. Jetzt ist die Lage ruhig. Es ist nicht einfach, die Grenze durchqueren. Die Migranten wissen, dass es auf beiden Seiten des Brenners strenge Kontrollen gibt", so Kompatscher laut der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos. Seiner Ansicht nach seien die Pläne zu Grenzkontrollen mit dem Wahlkampf in Österreich in Verbindung zu bringen.

Platter begrüßt Kontrollen

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat die geplanten Grenzkontrollen am Brenner begrüßt. "Ich befürworte es, dass sich auch das Verteidigungsministerium vorbereitet und eine Einsatzbereitschaft herstellt", erklärte Platter am Dienstag. Derzeit fänden bereits "intensive Schleierfahndungen" im grenznahen Bereich statt.

Es benötige "eindeutige Signale in Richtung Italien und der Flüchtlinge, dass es am Brenner kein Durchkommen gibt", so Tirols Landeschef: "Wenn es die Lage erfordert, lege ich Wert darauf, dass nicht Rücksicht auf die Bestimmungen der Europäischen Union genommen wird, sondern im Eigeninteresse des Landes Tirol kein Durchkommen für illegale Migranten am Brenner besteht." Die einzige Maßnahme, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen, sei freilich die Schließung der Mittelmeerroute.

Doskozil erwartet "zeitnahe" Kontrollen

Verteidigungsminister Doskozil hatte erklärt, dass er angesichts wieder steigender Flüchtlingszahlen "sehr zeitnah" Grenzkontrollen zu Italien erwarte, verbunden mit der Anforderung eines Assistenzeinsatzes des Bundesheers. Für den Einsatz zur Grenzsicherung seien derzeit insgesamt 750 Soldaten verfügbar. 450 sollen vom Jägerbataillon und der Militärpolizei vom Militärkommando Tirol gestellt werden, der Rest vom Militärkommando Kärnten. Im Falle einer Alarmierung soll die Truppe binnen drei Tagen voll einsatzfähig sein, hieß es. Zudem wurde erstes schweres Gerät – darunter auch vier Pandur-Radpanzer zum Absperren von Straßen – nach Tirol verlegt.

Kurz will Brenner-Grenze "schützen"

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag klargestellt, dass Österreich im Fall eines entsprechenden Flüchtlingszustroms die Brenner-Grenze "schützen" will.

Dass nun Vorbereitungen für Grenzkontrollen zu Italien vorgenommen würden, sei nicht nur richtig, sondern auch notwendig, zeigt sich Kurz über die "gute Zusammenarbeit" zwischen Innen- und Verteidigungsministerium erfreut. Es sei auch ehrlich, jetzt Italien und der EU ganz klar zu sagen: "Wir bereiten uns vor, und wir werden unsere Brenner-Grenze schützen, wenn es notwendig ist." (APA, 4.7.2017)