Spiegelglatt und mystisch ruhig präsentiert sich der Hallstätter See kurz nach Sonnenaufgang. Nicht nur Reiher und Tafelenten wärmen sich in der Morgensonne und genießen die Beschaulichkeit. Auch für die Berufsfischer der Österreichischen Bundesforste beginnt der Arbeitstag. Sie müssen die Netze aus dem Wasser holen, die sie am Vortag gesetzt haben. Frühmorgens ist die beste Zeit dafür. Weil sie nicht von Schwimmern oder Ausflugsschiffen gestört werden. Und weil die Fische verarbeitet werden müssen, bevor sie wenige Stunden später auf dem Teller diverser Restaurants landen.

Vom Ufer in Obertraun geht es schnurgerade zu den im Wasser schwimmenden Kunststoffkanistern, die den Fischern anzeigen, wo ihre Stellnetze hängen. Eigentlich wird im Salzkammergut traditionell mit Holzplätten gefischt. Diese handgemachten Boote zieren beinahe jedes Werbesujet der Salzkammergutseen. Entgegen jeglicher Fischerromantik verlässt man sich am Hallstätter See aber lieber auf ein mächtiges Boot aus Metall mit Fahrerkabine und einem 200-PS-Motor.

Am Fangplatz angekommen holt Alexander Scheck mit einem langen Haken das erste Netz an Bord. Der Fischer und studierte Biologe ist Experte für Wildfangfische. Mit seinem Kollegen Max Peinsteiner zieht er Meter um Meter Netz aus dem Wasser und wirft die Fische in eine mit Eis befüllte Kunststoffbox. "So gutes Wetter wie heute haben wir nicht immer. Das ist der wärmste Tag in diesem Jahr auf dem See", freut sich Peinsteiner. Die Fischer fahren bei jedem Wetter auf den See hinaus. Schließlich müssen die Netze mit den Fischen aus dem Wasser.

Die Fischer Alexander Scheck und Max Peinsteiner haben die Reinanken frühmorgens aus dem Halstätter See geholt.
Foto: Thomas Albdorf

Bereits am Vortag haben die Fischer die Kiemennetze gesetzt und mit einem Stein auf dem Grund beschwert. Schwimmt ein Fisch durch das Netz, bleibt er in einer der 40 Millimeter großen Maschen hängen. Nur die Fische mit der richtigen Größe stecken im Netz. Kleinere Fische können die Maschen einfach durchschwimmen.

Nur Fische mit der richtigen Größe bleiben in den Kiemennetzen hängen. Rund 200 Fische sind das pro Tag im Hallstätter See.
Foto: Thomas Albdorf

Vorwiegend Reinanken mit einem Körpergewicht von rund 300 Gramm holen die Fischer aus dem See. Aber auch Hechte, Seeforellen oder Äschen verirren sich im Netz. Der sogenannte Beifang ist nicht weniger beliebt, wenngleich der Hallstätter See eindeutig das Habitat der Reinanke ist.

Reich an Fischen

Aufgrund der guten Nährstoffdichte und der Größe des Sees ist der Fischbestand im Hallstätter See wesentlich höher als beispielsweise im Grundlsee, der für seine Seesaiblinge bekannt ist. Seehöhe, Temperatur und Größe des Sees bestimmen, welche Fische darin vermehrt vorkommen. Eine Gemeinsamkeit teilen sich aber alle zwölf heimischen Fischarten, die im Salzkammergut aus dem Wasser geholt werden: Es sind sogenannte Wildfänge. Die Fische dürfen ohne Zutun des Menschen (Fütterung oder Fortpflanzung) heranwachsen.

Fische im See einzusetzen oder zu füttern hält Alexander Scheck für absurd. Für ihn habe das nichts mit natürlichen Wildfängen zu tun. Das sei klassische Teichwirtschaft. "Wildfangfische ernähren sich von dem, was sie im See finden", sagt Scheck und meint damit das Plankton, das die Fische zu sich nehmen. Vor allem im Sommer finden sie reichlich davon. Das ist auch die Zeit, in der die Fische am besten schmecken. Gefischt werden darf nur bis Herbst. Danach beginnen die Tiere mit der Produktion der Nachkommen. "Der Fisch steckt seine ganze Energie in seinen Nachwuchs. Das beginnt bereits bei den Eiern Mitte Oktober. Der Laichakt ist sehr anstrengend für die Tiere. Dabei verlieren sie bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts. Das bedeutet, dass sie viele Nährstoffe, die vorher im Fleisch eingelagert waren, verlieren. Danach kommt der Winter, in dem kein Plankton zur Verfügung steht und die Fische auf Notbetrieb umschalten. In dieser Zeit haben sie kaum Nährstoffe. Das würde man auch schmecken. Im Frühling werden durch die Schneeschmelze wieder Nährstoffe in den See eingeschwemmt, und die Fische können neue Energie aufbauen, bis wir sie ab Mai wieder fischen", sagt Scheck.

Spitzenkoch Philip Rachinger mit einer Reinanke.
Foto: Thomas Albdorf

Im August und September schmecken die Reinanken laut dem Experten am besten. Die Qualität dieser natürlichen Fische wissen vor allem Küchenchefs zu schätzen. "Wir haben so eine tolle Wasserqualität in Österreich und großartige Fische. Das macht uns unverwechselbar. Außerdem gibt es jemanden, der darauf schaut, dass der Fischbestand erhalten bleibt. Das ist im Meer natürlich nicht so", sagt Spitzenkoch Philip Rachinger (Mühltalhof).

Die frisch gefangenen Reinanken bereitet Philip Rachinger im Salzteig zu.
Foto: Thomas Albdorf

Er hat sich frühmorgens auf den Weg vom Mühlviertel an den Hallstätter See gemacht, um frische Reinanken auf dem Lagerfeuer zuzubereiten.

Der Fisch wird in die heiße Glut gelegt.
Foto: Thomas Albdorf

"Nachdem wir im Salzkammergut sind, gare ich den Fisch in der Salzkruste", sagt Rachinger und schaut dabei auf den Salzberg, der über Hallstatt thront. Während das Buchenholz auf der Feuerstelle am See bereits brennt, mischt der Spitzenkoch Salz, Eiklar und Mehl zu einem festen Teig. Die zuvor gefangene Reinanke wird vom Teig umschlossen und kommt in die heiße Glut. Die Wartezeit von rund 30 Minuten nutzt Rachinger, um einen weiteren Fisch zu filetieren, die Haut einzuritzen, mit etwas Olivenöl zu beträufeln und mit einer glühend heißen Kohle abzuflämmen. "Das musst du probieren. Das schmeckt toll", sagt er und schneidet das Filet in kleine, an Sashimi erinnernde Stücke. "Wir bekommen die Reinanke zweimal pro Woche ins Restaurant geliefert und braten sie im Ganzen oder flämmen die Haut. Manchmal legen wir sie auch in eine Mostmarinade ein", sagt Rachinger.

Aber nicht nur der einzigartige Geschmack des Fisches ist ein Kriterium für den Koch, die Reinanke zu kochen. "Mir ist wichtig, dass ich die Menschen hinter dem Produkt kenne. Das ist eine Vertrauensfrage." Es gibt nur wenige Küchenchefs, die mit Wildfangfischen aus dem Salzkammergut beliefert werden.

Einer von ihnen ist Christopher Schramek vom Restaurant Ströck Feierabend in Wien. "Ich finde es toll, dass wir viel von den Fischern lernen. Es macht Freude, mit dem Fisch zu arbeiten. Man merkt schon beim Braten der Haut, wie rein dieses Produkt ist. Eine vernünftige Kalkulation in der Gastronomie ist aber fast unmöglich, weil der Fisch absoluter Luxus ist", sagt Schramek. Die Wildfangfische kosten rund 30 Euro pro Kilogramm, das Angebot ist begrenzt. "Das Bewusstsein für regionale und nachhaltige Lebensmittel ist in Österreich in den letzten Jahren gestiegen. Die Wildfangfische erfüllen beide Kriterien", sagt Pia Buchner von den Österreichischen Bundesforsten.

Unterfischung

Nachhaltigkeit ist den Fischern im Salzkammergut wichtig. Es wird nur so viel aus den Seen entnommen, wie auch wieder nachwächst. Im Vorjahr waren das 4000 Kilogramm Wildfangfische. Eine Überfischung sei laut Alexander Scheck ausgeschlossen. "Eine große Seeforelle kann über 10.000 Eier im Jahr produzieren. Das heißt, ein Fischpärchen produziert im Laufe seines Lebens über 70.000 neue Fische. Und wenn von diesen Fischen wieder zwei die gleiche Leistung bringen, ist der Bestand gleich geblieben. Die Natur ist hier zum Glück sehr verschwenderisch. Wir unterfischen den See im Moment sogar. Er kann also nicht leergefischt werden. Durch eine Biomasseerhebung lassen wir regelmäßig den Fischbestand überprüfen. Diese Biomasse hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt", sagt Scheck.

Ein heiß dampfender und durchgegarter Fisch kommt zum Vorschein, als der Spitzenkoch die Salzkruste aufbricht.
Foto: Thomas Albdorf

Auch über schonendere Fangmethoden macht sich der Biologe Gedanken. In diesem Jahr will er das erste Mal mit einer sogenannten Ringwade fischen. Dabei handelt es sich um ein kleinmaschiges Netz, mit dem die Fische lebend gefangen werden. Beifang und zu kleine Fische können aussortiert und wieder zurück ins Wasser gesetzt werden. So werden nur Fische mit der richtigen Größe und entsprechendem Alter gefischt – wie jene Reinanke, die Philip Rachinger vor kurzem in Salzteig gepackt und in die heiße Glut gelegt hat.

Ein heiß dampfender und durchgegarter Fisch kommt zum Vorschein, als der Spitzenkoch die Salzkruste aufbricht. "Der Fisch ist so zart. Er schmeckt toll", sagt Rachinger und ist sichtlich stolz auf das Ergebnis. Pünktlich zum Essen legen auch die Fischer, die die restlichen Fische bereits verarbeitet haben, mit ihrem Boot an. Lange Zeit zum Essen haben sie nicht. Schließlich müssen sie heute noch die neuen Netze setzen, um am nächsten Tag wieder die köstlich schmeckenden Reinanken aus dem Wasser zu holen. (Alex Stranig, RONDO, 6.7.2017)

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