Istanbul/Berlin – Es klingt wie ein Drehbuch zu einem "Oceans 11" für Politaktivisten: Das Berliner Kollektiv Zentrum für politische Schönheit ließ vergangenen Freitag regimekritische Flugblätter, auf denen auf Türkisch "Wir fordern den Rücktritt des Diktators Erdoğan und die Ausrufung von freien Wahlen" steht, aus einem Hotelzimmer am Gezi-Park in Istanbul segeln.

Fast 1.000 Blätter in zwölf Minuten

Fast 1.000 Blätter schossen aus einem ferngesteuerten Drucker aus einem gekippten Fenster, während der zuständige ZPS-Aktivist, der sich in dem Zimmer eingemietet hatte, schon im Flugzeug nach Hause saß. Wie gefährlich es für den Kollegen werden hätte können, der das Zimmer zwar einen Tag länger gemietet hatte, es aber nach der Installation des Druckers mit kleinem Gepäck verließ, weiß man beim Kollektiv, das seit Jahren mit seinen Aktionen, in denen es immer wieder um Menschenrechte geht: "Wir haben den Drucker von außen aktiviert, sobald er zumindest zwei Drittel der Flugstrecke hinter sich hatte, um auf Nummer sicher zu gehen", erzählt Cesy Leonard vom ZPS dem STANDARD.

Erinnerung an Geschwister Scholl

Finanziert hat die Aktion "Scholl 2017" das Kulturministerium Bayerns, das auch weiter dazu steht, wie Leonard dem STANDARD sagt. Im Zuge der Aktion erhielten Münchner Schüler den Auftrag, Flugzettel zu entwerfen, die an den Widerstand der Geschwister Hans und Sophie Scholl, die gegen die Nazi-Diktatur kämpften, erinnerten. In einer Art Castingshow wurden die besten Blätter dann ausgezeichnet.

Ein ZPS-Aktivist hat in Istanbul nicht nur einen ferngesteuerten Drucker, sondern auch zwei Kameras installiert.
Zentrum für Politische Schönheit

Dass man die Blätter in der Nähe des Gezi-Parks drucken ließ, ist kein Zufall, ist er doch ein symbolträchtiger Ort des Widerstandes. Die Blätter flogen nur etwa zwölf Minuten aus dem Fenster, sagt Leonard, dann wurde die Aktion entdeckt und abgedreht. "Wir haben extra einen Drucker gesucht, der sehr schnell sehr viele Blätter drucken kann", betont Cesy Leonard.

"Bundesamt für Diktatorenbeseitung"

Für das ZPS geht der Kampf gegen Tyrannen zu Hause weiter: Als Vorbereitung auf den G20-Gipfel stellte das Kollektiv am Montag eine Limousine vor dem Bundeskanzleramt in Berlin auf, vor der ein Transparent prangte: "Willst du dieses Auto? Töte die Diktatur!" steht da neben Konterfeis, die an Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdoğan und Salman bin Abdelasis al Saud erinnern. Dazu hat das ZPS einen Film produziert, der eine getürkte Nachrichtensendung über angeblich ermordete Diktatoren beinhaltet, die von empörten Bürgern Deutschlands attackiert wurden. Gefördert wurde die Aktion vom fiktiven "Bundesamt für Diktatorenbeseitung". (Colette M. Schmidt, 4.7.2017)