Der Wiener Eislaufverein am Heumarkt ist sommers eine große Sandkiste mit Lustbarkeiten für Erwachsene. Gute Stimmung in der Politik allerdings kommt in der Causa nur noch selten auf.

Foto: Ayham Youssef

Sogar in einem der Postings zum Kommentar von Georg Eisenberger ("Das eigentliche Problem mit dem Weltkulturerbe", im STANDARD vom 4. Juli 2017) wurde angemerkt, dass es doch erstaunlich ist, dass das Weltkulturerbe plötzlich kritisch und als lästig betrachtet wird, wenn sich die Interessenlage ändert und ein Bauprojekt in der Kernzone des Welterbegebietes platziert werden soll.

Grundsätzlich: Die Idee des Unesco-Kultur- und Naturerbes ist, dass es weltweit einzigartige Stätten gibt, die für die gesamte Menschheit von Bedeutung sind. Die Unesco gibt dem globalen Gemeingut Priorität vor finanziellen Interessen Privater. Es geht bei der Verleihung des Welterbestatus also nicht um einen Bonus, ein Etikett für touristische Vermarktung, sondern um nachhaltigen Schutz. Und: Die Unesco ist auch nicht gegen jegliche Veränderungen in städtischen Welterbegebieten – aber es geht um die Sensibilität, welche Bebauung wo möglich und verträglich ist.

Georg Eisenberger behauptet: "Bei Welterbeprüfungen unterliegen Verfahren zum Schutz der historischen Stadtzentren keinerlei festgelegten Vorgaben." Wahr ist: Die Überprüfung von Welterbestätten auf internationaler Ebene ist in den Operational Guidelines der Welterbekonvention (deren Ratifizierung auf einem Parlamentsbeschluss basiert) festgelegt, die die Mitgliedstaaten der Konvention beschlossen haben; insbesondere regelt Paragraf 34f die Prüfung und das Monitoring von Welterbestätten durch Icomos International. Die Auswahl der Experten erfolgt aufgrund ihrer Expertise und ihres Fachwissens im jeweiligen Fachbereich, grundsätzlich dürfen sie nie dem Staat angehören, dessen Welterbe geprüft wird. Ihre Berichte haben Beratungscharakter und werden vom Welterbekomitee zur Entscheidung herangezogen. Das Komitee ist das aus 21 gewählten Staatenvertretern bestehende Entscheidungsgremium der Unesco.

Weiter kritisiert Eisenberger: "Was man aber als Jurist kritisch anmerken muss, ist das Fehlen jeglicher politischer oder rechtlicher Legitimation einer Vertreterin eines privatrechtlich organisierten Vereines, derartige Drohungen auszusprechen, um so nicht gewünschte Bauvorhaben zu verhindern."

Die Österreichische Unesco-Kommission spricht keine Drohungen aus, sondern erläutert auf der Grundlage der der Öffentlichkeit zugänglichen offiziellen Unesco-Dokumente den vorhersehbaren Ablauf der Unesco-Entscheidung im Fall von Wien. Die Begründung, weshalb das Projekt am Heumarkt nicht welterbeverträglich ist, ist ebenfalls im Beschluss sowie im Icomos Technical Review begründet. Und ja: Es ist die Aufgabe der Österreichischen Unesco-Kommission, die Öffentlichkeit über die weiteren Schritte der Unesco, die Causa Heumarkt betreffend, zu informieren. Jedoch weder die Österreichische Unesco-Kommission noch Icomos Österreich treffen Entscheidungen, beide Institutionen beraten und sind Schnittstelle zur Unesco in Paris. Das Komitee aus gewählten Staatenvertretern entscheidet.

Wenn Herr Eisenberger moniert, dass "wir auch ohne das Weltkulturerbe genügend Instrumente und Organe zur Verfügung haben, um Österreichs historisch bedeutsame Stadtkerne und Bauwerke zu schützen", ist das schlicht zu kurz gedacht. Der österreichische Denkmalschutz sieht keinen flächenmäßigen Gebietsschutz für Ensembles wie etwa ganze Stadtzentren vor. Auch Kulturlandschaftsschutz, wie es etwa das Welterbe Wachau oder Fertö/Neusiedlersee erfordern, ist in Österreich gesetzlich nicht geregelt.

Ein wichtiger Punkt, warum die Unesco das historische Zentrum von Wien als gefährdet einstuft, sind die fehlenden Stadtentwicklungsinstrumente der Stadt Wien: Wien hat 2014 mit dem neuen Hochhauskonzept die bis dato vorhandenen Ausschlusszonen für Hochhausbauten im Stadtgebiet Wien abgeschafft, ohne diese durch angemessene Kontrollinstrumente zu ersetzen. Auch der sogenannte Masterplan Glacis lässt die Errichtung von Hochhausbauten zu. Die von der Stadt Wien nun in letzter Minute beschlossene Absichtserklärung (Resolution), keine weiteren Hochhausbauten mehr zu planen, reicht nicht als langfristige gesetzliche Grundlage, um glaubwürdig die Welterbestätte zu schützen.

Und wenn Herr Eisenberger meint: "Als Einzelner kann man natürlich unzufrieden sein mit den in innerstaatlichen Verfahren getroffenen Entscheidungen", dann muss ich anmerken: Es geht nicht um die Position von Einzelnen, sondern um Vorgaben auf der Basis eines völkerrechtlichen Regelwerkes, dem sich die Staaten freiwillig unterwerfen, denen zu folgen ist. Wenn der gesetzliche innerstaatliche Schutz zu schwach ist, wie es beim "historischen Zentrum von Wien" der Fall ist, kommt es zu den Widersprüchen, die wir erlebt haben – man möchte dem Investor ein Projekt ermöglichen, das nicht welterbeverträglich ist, aber gleichzeitig das Welterbesiegel behalten.

Zum Abschluss die Antwort auf die Frage, die sich Wien und Österreich eigentlich stellen sollten: Was geht mit einer Aberkennung des Welterbes verloren? Österreich verliert eine Welterbestätte von außergewöhnlichem universellem Wert und die Gewissheit, dass im historischen Zentrum nicht weitere Hochhäuser bzw. Flächenumwidmungen folgen. Wenn das internationale Korrektiv fehlt, werden der Politik keine Schranken mehr auferlegt, ein Kulturgut von Weltgeltung zu schützen. (Eva Nowotny, 4.7.2017)