Da stand er damals und starrte in die Kamera: wirres Haar, irrer Blick – und dann dieses bunt gemusterte Hawaiihemd! Das Polizeifoto, das 2002 von Nick Nolte gemacht wurde, ging um die Welt, er wurde mit hämischen Kommentaren bedacht. Im Nachhinein kann dem Schauspieler zur Wahl dieses Hemds (bedruckt mit Blüten und Grünpflanzen) nur gratuliert werden. Kaum ein Kleidungsstück ist für jene dunklen Momente im Leben besser geeignet als das Hawaiihemd. Es hat in der Vergangenheit auch so manchen Spott über sich ergehen lassen müssen.

Dabei hatte seine Karriere in den 1930er-Jahren doch so vielversprechend begonnen. Damals durfte das gerade geschnittene Hemd mit den auffälligen Mustern (Früchte, Hibiskusblüten, Blumenkränze) und den Knöpfen aus Kokosnussschalen als Marketingbotschafter für die bis dahin viel zu wenigen ausländischen Touristen auf Hawaii herhalten. Sein Erfolg war niemals ungetrübt. Denn das exaltierte Stück Stoff mit dem halben Ärmel genoss stets einen flatterhaften Ruf – als seriös galt das kanarienbunte "Freizeithemd", das irgendwann zur Ausstattung des gemeinen Neckermann-Urlaubers wurde, nun wirklich nie. Solid, das waren immer nur die anderen. Das wusste schon der Hawaiihemden-Hersteller Tommy Bahama Tropical Shirts, der seinen Kunden das Motto "Life is just one long weekend" mit auf den Weg gab.

Hawaiihemden in der Louis-Vuitton-Schau.
Foto: Louis Vuitton

In der Vergangenheit wussten Männer wie Tom Selleck, Homer Simpson, Elvis Presley den verwegenen Charme des Freizeithemds zu schätzen. Jetzt wären sie damit wieder auf der sicheren Seite. Denn das "GQ"-Magazin hat für diesen Sommer das Comeback des Hawaiihemds ausgerufen. Das ist verständlich: Mit ihm lässt sich das Gefühl von Urlaub über die Schultern werfen – einfach so.

Wer bis jetzt kein solches Hemd im Kasten hängen hat, kann sich ruhig noch ein wenig Zeit lassen. Es sieht nämlich aus, als würde das kanarienbunte Stück Stoff in die Verlängerung gehen. Während der Pariser Männermodeschauen packten selbst die großen Häuser für das kommende Frühjahr die buntesten Hawaiihemden aus. Louis Vuitton zum Beispiel. Oder Balenciaga.

Dem Sonnenuntergang entgegen: Demna Gvasalia, der Designer des Modehauses Balenciaga, schlägt auch für den kommenden Sommer Hawaiihemden vor.
Foto: Balenciaga

Richtig ernst meint es allerdings Neodesigner Justin O'Shea. Er überschrieb seine erste Kollektion für sein neues Label SSS World Corp mit "Aloha from Hell" – und ließ eine ganze Armada an Models in den bunten Hemdchen über die Straße laufen.

Kaum ein Designer scheint sich der Schlagkraft und der Ambivalenz des Hawaiihemds derzeit so bewusst zu sein wie O'Shea. Nick Nolte sollte Hawaiihemden von SSS World Corp tragen. (feld, 6.7.2017)


Weiterlesen

Nicht nur Fußballerfrisur: Der Undercut

Mit dem Badeanzug ins Büro