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Der Volvo PV544 wurde 1963 zum Auto des Jahres gewählt, im Bild bei einer Oldtime-Rally Anfang Anfang Juni in der lettischen Hauptstadt Riga.

Reuters

Wien/Göteborg – Jahrzehntelang standen sie nicht unbedingt für Schönheit, umso mehr für Sicherheit. Autos der schwedischen Marke Volvo hatten nicht nur den ersten Dreipunktsicherheitsgurt serienmäßig eingebaut; extrastarke Stoßdämpfer bewahrten Insassen selbst im Falle einer unliebsamen Begegnung mit einem ausgewachsenen Elch des Öfteren vor gröberem Schaden. Und jetzt gibt Volvo noch einmal richtig Gas.

Der inzwischen mit chinesischen Kennzeichen fahrende Autobauer kündigte am Mittwoch eine grundlegende Kehrtwende in der Antriebstechnik an. Von 2019 an werde jeder neue Volvo mit einem Elektromotor ausgestattet sein. Verbrennungsmotoren werde es nur mehr als Zusatzaggregat unter der Motorhaube geben.

"Diese Ankündigung markiert das Ende des nur mit Verbrennungsmotoren angetriebenen Autos", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Volvo-Chef Håkan Samuelsson. Von 2019 bis 2021 sollen fünf neue Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb auf den Markt kommen. Diese würden durch eine Reihe von Hybridmodellen ergänzt, die zusätzlich zur Batterie auch mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet seien.

Großoffensive mit Elektroautos

Volvo war bis 2010 Teil des US-Konzerns Ford und wurde dann an den chinesischen Autoproduzenten Geely verkauft. Dieser ehedem nur als Hersteller von Billigautos bekannt gewesene Konzern plant nun seinerseits eine Großoffensive mit Elektroautos in China.

"Dass man auf Hybridantriebe setzt, macht Sinn. Für rein elektrische Antriebe ist es zu früh. Auch wenn man wollte, könnte man Diesel und Benziner noch nicht eins zu eins ersetzen", sagte Bernhard Geringer vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien.

"Andere Fahrzeughersteller haben angekündigt, dass sie ab 2025 etwa 25 Prozent der Autos rein elektrisch oder als Plug-in-Version auf die Straße bringen wollen. Volvo will nun offenbar die anderen überholen und schon 2019 so weit sein", sagte Geringer dem STANDARD.

Für Österreichs Zulieferindustrie müsse das kein Nachteil sein, im Gegenteil. "Werden die Potenziale im Hinblick auf Kompetenz und Marktstellung bestmöglich genützt, liegt das Beschäftigungspotenzial, das durch Elektromobilität induziert wird, im Jahr 2030 bei rund 60.000", sagte Geringer unter Hinweis auf eine Studie, die von der Technischen Universität Wien gemeinsam mit der Fraunhofer Austria Research GmbH bereits 2011 gemacht worden ist.

"Nebeneinander sinnvoll"

Bestmöglich nützen heiße in dem Zusammenhang, auf Komponenten wie Leistungselektronik oder Batterien zu setzen, die in möglichst viele Fahrzeuge Eingang finden könnten. Darüber hinaus hält der Autoprofessor "zumindest in den nächsten zehn, 20 Jahren" ein Nebeneinander verschiedener Antriebssysteme für das wahrscheinlichste und auch sinnvollste Szenario.

Die Zeit für den reinen Elektroantrieb, der alle anderen ersetzt, sei noch nicht reif. Voraussetzungen dafür seien deutliche Verbesserungen in der Reichweite, bei der Ladeinfrastruktur und nicht zuletzt auch im Strommix. "In China, wo Strom noch großteils mit Kohle produziert wird, ist die CO2-Bilanz beim Elektroauto schlechter als bei Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselantrieb", sagte Geringer dem STANDARD. In Österreich sei der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Strommix zwar deutlich höher; würden aber alle Autos auf Elektroantrieb umgestellt, reiche es auch nicht.

Dieselland Österreich

Die Entscheidung von Volvo wird im "Dieselland" Österreich interessiert, aber vergleichsweise entspannt zur Kenntnis genommen. Mit gut 2,7 Millionen zugelassenen Diesel-Pkws sind hierzulande sechs von zehn Pkws mit Dieselantrieb unterwegs – Tendenz zuletzt leicht sinkend, was Experten auf die Verunsicherung von Autokäufern im Zusammenhang mit dem Skandal um gefälschte Abgaswerte bei VW zurückführen.

Nach Angaben des Fachverbands der Fahrzeugindustrie sind in Österreich rund 230.000 Arbeitsplätze mittel- oder unmittelbar auf den Dieselantrieb rückführbar. Mehr als 125.000 Personen finden direkt bei Unternehmen der Automobilwirtschaft, die mit dem Dieselantrieb verknüpft sind, Beschäftigung. Werden auch noch die indirekt (über die Wertschöpfungsverflechtungen) abhängigen Beschäftigten hinzugezählt, sind es in Summe gut 230.000 Arbeitsplätze. Das entspricht 5,2 Prozent beziehungsweise jedem 19. Arbeitsplatz in Österreich.

Zum Vergleich: 2016 waren in Österreichs Autozulieferindustrie 30.000 Mitarbeiter in 150 Betrieben beschäftigt, die einen Produktionswert von 13,7 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. (Günther Strobl, 5.7.2017)