Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nahm den Brenner ins Visier und erwartete, dass dort "zeitnah" ein Assistenzeinsatz angefordert wird. Bundeskanzler Christian Kern pfiff ihn jetzt zurück.

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Brüssel/Rom/Wien – Nachdem Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) Montagabend erklärt hatte, wegen steigender Flüchtlingszahlen in Italien "sehr zeitnah" Grenzkontrollen und einen Assistenzeinsatz am Brenner zu erwarten, kam zwei Tage später von Bundeskanzler Christian Kern die Kehrtwende. Derlei stehe nicht unmittelbar bevor, sagte er am Mittwoch. Auch seien derzeit keine Bundesheersoldaten oder militärisches Gerät am Brenner, stellte er klar.

Trotz der zunehmenden Flüchtlingsankünfte in Italien habe sich die Situation für Österreich kaum verändert, sagte Kern und lobte dabei die Zusammenarbeit mit Italien. Allerdings wurde ein Notfallplan beschlossen, für den Fall starker Flüchtlingsbewegungen nach Österreich wie im Jahr 2015.

Kern präzisiert am Mittwoch, "dass keine Panzer jetzt am Brenner auffahren".
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Vor Kerns Kurskorrektur setzte es scharfe Kritik von vielen Seiten, vor allem aus Italien und vonseiten der EU. Die Regierung in Rom begrüßte schließlich die Aussagen des Kanzlers und lobte ausdrücklich das konstruktive Gespräch, das Kern mit seinem italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni geführt habe.

Verteidigungsminister Doskozil hatte am Montag gesagt, dass 750 Bundesheersoldaten bereitstünden und schweres Gerät in Form von vier Pandur-Panzern nach Tirol verlegt wurde. Daraufhin hagelte es unter anderem in sozialen Netzwerken Kritik, dass Panzer gegen Flüchtlinge eingesetzt werden sollen.

Panzer stehen in Innsbruck

Auf STANDARD-Anfrage teilte das Verteidigungsministerium mit, dass die vier Panzer derzeit in einer Innsbrucker Kaserne stehen. Sie sind nicht mit Waffen bestückt und wurden für Straßensperren modifiziert, also mit ausklappbaren Scherengittern ausgestattet. Sie können an der Grenze nur nach Anforderung des Innenministeriums eingesetzt werden. Ein Panzer kam bereits im steirischen Spielfeld zum Einsatz, als dort Flüchtlinge ankamen. Das Bundesheer verfügt über 78 Pandur-Panzer, weitere 34 Panzer wurden mit einem Volumen von 105 Millionen Euro in Auftrag gegeben.

Rechtlich betrachtet brauchte Österreich aufgrund des Schengener Grenzkodex die Zustimmung der EU-Kommission und der anderen Mitgliedsstaaten für Grenzkontrollen. Bei einem Notfall ist es möglich, dass ein Schengen-Staat unverzüglich die Grenzen kontrolliert – aber nur für zehn Tage.

Zwei Flüchtlingsgipfel an einem Tag

Am Donnerstag beschäftigt sich die europäische Politik gleich auf zwei Gipfeln mit der Flüchtlingskrise. Bei einem Treffen der EU-Innenminister in Tallinn soll der von der EU-Kommission vorgelegte "Aktionsplan" abgesegnet werden. Der sieht unter anderem einen Verhaltenskodex für im Mittelmeer tätige NGOs und Unterstützung für Libyens Grenzschutzbehörden vor. In Rom beraten Vertreter afrikanischer Länder sowie mehrerer EU-Staaten über die Flüchtlingsbewegungen auf der Mittelmeerroute. Für Österreich nimmt Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) an der Konferenz teil. (ksh, 5.7.2017)